Symposien

Planung und Moderation:Michael Borg-Laufs
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:HS 1a

Von Kindern miterlebte Gewalt in der Familie wird von ihnen als beängstigend erlebt und hat langfristige entwicklungshemmende Folgen. Die psychosoziale Situation der Kinder, Erkenntnisse über ihre Entwicklungsmöglichkeiten und -einschränkungen sowie Möglichkeit der Hilfe für die betroffenen Kinder werden in diesem Symposium beleuchtet.

Referate

Titel: Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von Gewalt in Paarbeziehungen

Bei Kindern und Jugendlichen, die Gewalt in der Paarbeziehung der leiblichen Eltern und/oder zwischen leiblichem Elternteil und Stiefelternteil bzw. Lebenspartner:in miterleben, werden die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten häufig nachhaltig beeinträchtigt. Sie leiden häufig unter ähnlichen Folgen wie Mädchen und Jungen, die unmittelbar von Kindeswohlgefährdung durch Gewalt und/oder Vernachlässigung betroffen sind. In diesem Vortrag werden die unterschiedlichen Formen der Betroffenheit der jungen Menschen im Kontext von Gewalt in Paarbeziehungen erläutert. Es wird dargelegt, warum die Erfahrungen als Kindeswohlgefährdung einzuordnen sind und Prävention und Intervention daher unabdingbar zielführende (Hilfe-)Angebote für junge Menschen vorhalten müssen.

Claudia Bundschuh

Titel: Hürden der Arbeit mit den Kindern 

Wir haben in Bochum im Rahmen einer Beratungsstelle gegen Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch den Schwerpunkt „Kinder als Zeug*innen häuslicher Gewalt“ aufgebaut und dabei unerwartete Erfahrungen gemacht. Es gab fast keine Ebene, die die Not der Kinder sah und ernst nahm. Das Hilfesystem ist auf die misshandelten Frauen ausgerichtet. Jungen dürfen ab einem bestimmten Alter nicht mehr mit in die Frauenhäuser. Dazu passt, dass ein entscheidendes Argument für die Finanzierung dieses Schwerpunktes war, dass Jungen, die Zeugen häuslicher Gewalt waren, die höchste Wahrscheinlichkeit haben, selber gewalttätig zu werden. Ihre Not war nicht so wichtig. Im Vergleich mit Kindern, die wegen Misshandlung oder sexuellem Missbrauch bei uns waren, fiel durchgängig eine deutlich höhere Quote an ausgefallenen Terminen bei den Erstgesprächen und im Verlauf einer Therapie auf. Die Zahl der Therapieabbrüche war höher, die Therapiedauer kürzer.

Der Vortrag befasst sich mit den Gründen dieser Beobachtungen und mit den Schlussfolgerungen für Strukturen, Beratung und Therapie.

Monika Bormann

Titel: Familiengerichtliche Verfahren nach Partnerschaftsgewalt: Wissen und Einflussmöglichkeiten für die psychotherapeutische Praxis

Erläutert werden die Schwellen in familiengerichtlichen Verfahren nach §§ 1666, 1684 BGB sowie für die Beurteilung des Gerichts relevante Fallmerkmale (z. B. gewaltbedingte Belastung eines Kindes). Erörtert wird, auf welchem Wege solche Informationen ins Verfahren eingebracht werden können.

Heinz Kindler

Planung und Moderation:Asita Behzadi; Ursula Düll-Esse
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:L 115

 

Die Gemeindepsychologie ist der Teil der Psychologie, der die wechselseitigen Beziehungen von Person und Kontext in das Zentrum theoretischer Fragen, empirischer Studien und psychosozialer Praxis rückt. Die reflexive Auseinandersetzung mit dem wechselseitigen Verflochtensein von Person und Kontext ist für alle psychologischen Fragestellungen in Forschung und Praxis relevant und stellt daher ein Paradigma dar, das quer zu psychologischen Subdisziplinen verläuft. Welche Handlungsoptionen im Kontext von Beratung, Supervision und Therapie lassen sich also mit gemeindepsychologischen Ansätzen (u. a. Partizipation, Empowerment, Netzwerkarbeit, Salutogenese) und einer Haltung als Gemeindepsycholog*in entwickeln? Entlang von Thesen und mit Reflexionen gemeindepsychologischer Arbeit in unterschiedlichen Handlungsfeldern laden Ursula Duell-Esse, Anja Hermann, Olaf Neumann, Asita Behzadi und Maximilian Schinz zu einer lebendigen Diskussion ein. Alle Referent*innen im Symposium sind Autor*innen des ersten deutschsprachigen Handbuchs Gemeindepsychologie, welches im März 2023 im dgvt-Verlag erschien ist. Die Impulse kommen aus der psychosozialen Beratung, der Psychoonkologie, der Supervision in der Erziehungs- und Familienberatung. Die Ausgangsfrage ist jeweils: Was bedeutet es, in dem Praxisfeld mit einem gemeindepsychologischen Hintergrund / einer gemeindepsychologischen Haltung zu arbeiten?

Planung und Moderation:Nele Dippel
Datum:Sonntag, 19.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:HS 1a

Referate

CBASP@YoungAge - Ein modulares Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Depression und interpersonellen Problemen

Depressionen sind bereits im Kindes- und Jugendalter von eindeutiger Relevanz. Betroffene zeigen bedingt durch die Erkrankung deutliche Beeinträchtigungen. Assoziierte Folgen sind auch über die Symptome hinausgehende Entwicklungseinschränkungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen, sowie ein erhöhtes Risiko für chronische  Verläufe im Erwachsenenalter. Depressionen müssen damit auch in diesen frühen Entwicklungsphasen rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt werden. Es herrscht Bedarf an wirksamen und auf die Altersgruppen zugeschnittenen neuen Psychotherapiemethoden, insbesondere da bisherige Studien zur Wirksamkeit der Psychotherapie bezogen auf die Qualität sehr heterogen sind und auf kleine Effektstärken hinweisen (Oud et al., 2019; Eckshtain et al., 2019; Weisz et al., 2016).

Basierend auf CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy; McCullough, 2003), Forschungsergebnissen zum Einbezug von Bezugspersonen in die Psychotherapie (Dippel et al., under review) und modularer Interventionen (z.B. Weisz et al., 2012) konzipierten wir ein modulares, individualisiertes Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche. Die Behandlung von depressiven Symptomen, mit zusätzlicher Adressierung der daraus resultierenden interaktionellen Schwierigkeiten mit primären Bezugspersonen, sind die Hauptansatzpunkte für CBASP@YoungAge (vgl. Brakemeier, Guhn, Normann, 2021).

Es wurden bereits bewährte Techniken von CBASP (Arbeit mit Prägungen, Situationsanalysen, Kiesler-Kreis, therapeutische Beziehungsgestaltung durch diszipliniertes persönliches Einlassen) für verschiedenen Altersgruppen angepasst. Bezugspersonen werden, basierend auf den CBASP-Techniken in die Therapie direkt einbezogen. Insbesondere sollen durch ein interpersonelles „Kiesler-Kreis-Training“ wechselseitige dysfunktionale familiäre Beziehungsdynamiken aufgedeckt und verändert werden. Weitere Therapiemodule, basierend auf evidenzbasierten Methoden, werden bei Komorbiditäten modular integriert. Aktuell wird das Programm im Rahmen einer Pilotstudie im ambulanten Rahmen erstmalig eingesetzt. Die Ziele bestehen darin, die Machbarkeit und Wirksamkeit des für Kinder und Jugendliche adaptierten Konzeptes im ambulanten Setting erstmalig zu überprüfen.

Titel: „ich bin alles“: Infoportal zur Depression und psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen

Trotz wirksamer Therapieangebote begeben sich nur wenige an Depression erkrankte Kinder und Jugendliche in Behandlung. Barrieren umfassen u.a. mangelndes Wissen über die Erkrankung bei den Betroffenen und ihren Familien sowie Angst vor Stigmatisierung. Angesichts der schwerwiegenden Folgen depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen wollen wir mit der Bereitstellung des innovativen und webbasierten Infoportals „ich bin alles“ (www.ich-bin-alles.de) einem dringenden Handlungsbedarf zeitgemäß gerecht werden.

Die Plattform wurde u.a. auf Basis der S3-Leitlinie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer depressiven Störung entwickelt und richtet sich an gesunde und an Depression erkrankte Kinder und Jugendliche sowie an deren Eltern. Diese Zielgruppen wurden bei der Entwicklung der Webseite kontinuierlich miteinbezogen. „ich bin alles“ informiert umfassend und evidenzbasiert über Symptomatik, Diagnostik, Ursachen und Verlauf sowie Behandlungsformen der Depression bei Kindern und Jugendlichen und bietet darüber hinaus Tipps zum Erhalt der psychischen Gesundheit.

Ausgewählte Teile der Webseite wurden in mehreren Studien bei den unterschiedlichen Zielgruppen (Kinder und Jugendliche mit Depression, gesunde Kinder und Jugendliche sowie Eltern dieser beiden Gruppen) wissenschaftlich evaluiert. Dabei wurden u.a. Wissenszuwachs sowie die Akzeptanz der Plattform untersucht. Die Ergebnisse werden aktuell ausgewertet und auf der Tagung neben der Vorstellung des Infoportals präsentiert.

Sara Kaubisch; Regine Primbs; Lucia Iglhaut; Maartje Kloek; Charlotte E. Piechaczek; Pia-Marie Comanns; Lisa Feldmann; Ellen Greimel & Gerd Schulte-Körne

Titel: Chatbots zur Behandlung depressiver Störungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen? Einblicke in die Entwicklung des Chatbots „Cady“ 

Chatbots sind vielversprechende digitale Anwendungen, die über natürliche Sprache, z.B. mithilfe von Textnachrichten, mit Nutzer*innen interagieren. Sie haben das Potenzial, Barrieren der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und Limitationen bisheriger digitaler Interventionen, wie den Aufbau einer therapeutischen Beziehung, zu reduzieren. Während Chatbot-Studien bei Erwachsenen eine ausreichende Akzeptanz, Machbarkeit und vielversprechende Wirksamkeit gezeigt haben, ist nicht viel darüber bekannt, wie ein Chatbot für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen gestaltet werden soll.

Im Forschungsprojekt „Cady“ entwickeln wir entlang eines menschenzentrierten Entwicklungsprozesses einen Chatbot für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen. In einer ersten Studie (n = 15) haben wir mithilfe von Interviews die Bedürfnisse, Präferenzen und Gestaltungswünsche für einen solchen Chatbot ermittelt. Im Anschluss haben wir auf Basis dieser Ergebnisse einen Prototyp auf Basis der Kognitiven Verhaltenstherapie entwickelt. Den Prototypen haben wir in einer zweiten Studie (n = 20) mit der Think-Aloud Methode, Interviews und Fragebögen im Labor evaluiert. Aktuell entwickeln wir die „Cady“ Smartphone-App.

Im Vortrag soll zunächst eine allgemeine Einführung in Chatbots zur Förderung psychischer Gesundheit gegeben werden. Anschließend möchten wir das Forschungsprojekt „Cady“ und die Ergebnisse der beiden Studien vorstellen.

Florian Onur Kuhlmeier; Ulrich Gnewuch; Eva-Lotta Brakemeie; Stefan Lüttke

Titel: Wie weiter nach der Klinik? Poststationäre Nachsorge 4.0 für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen: Das Leuchtturmprojekt „iCAN“

Zuletzt ist die Zahl der Klinikbehandlungen wegen einer Depression bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in erheblich angestiegen (Statistisches Bundesamt, 2017). Etwa 20% dieser Fälle sind Rehospitalisierungen, die auf eine unzureichende Nutzung ambulanter Nachsorgeangebote zurückzuführen sind und zu enormen Belastungen für das Gesundheitssystem führen (Greiner et al., 2019). Dieser ungünstigen Entwicklung soll das Projekt iCAN entgegenwirken, das 3,6 Mio. EUR vom G-BA Innovationsfonds gefördert wird. Mit 30 Studienzentren, 9 Krankenkassen und der Unterstützung u.a. der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, BPtK, BVDP und BVDN ist iCAN eines der größten Projekte zur Verbesserung der Versorgung junger Menschen mit Depression in Deutschland (https://t1p.de/ican-greifswald). 

Methode: iCAN ist ein blended-care Nachsorgeangebot, das Patient*innen im Anschluss an die stationäre Behandlung für 3 Monate nutzen. iCAN kombiniert eine Smartphone-App (KVT-basierte Trainingsmodule) mit einem Telefoncoaching durch zertifizierte E-Coaches. Die Zusammenstellung des Trainingsplans erfolgt KI-gestützt, die App-Nutzung wird von einem Chatbot begleitet. Ziele von iCAN sind (a) die stationär erreichten Therapieerfolge zu stabilisieren und (b) Patient*innen nach stationärer Behandlung zeitnah an ein passendes ambulantes Nachsorgeangebot anzubinden.

Ergebnisse: Die Effekte von iCAN werden in einer prospektiven, Multicenter-RCT mit N = 368 Patient*innen (13 bis 25 Jahre) evaluiert. Hauptendpunkte für den Vergleich von TAU und TAU plus iCAN sind die Veränderung der Symptomschwere vom Zeitpunkt der Entlassung bis zum 3-Monats-Follow Up, die Nutzung ambulanter Nachsorgeangebote sowie Krankheitskosten.

Diskussion: Im Fall einer positiven Evaluation von iCAN kann dieses innovative Nachsorgekonzept flächendeckend in der Regelversorgung eingesetzt werden. Vorgestellt werden das iCAN-Konzept inkl. Demonstration der Smartphone-App, Studienrational sowie das Evaluationskonzept.

Stefan Lüttke; Christian Aljoscha Lukas; Klara Greffin; Sebastian Saur; Silke Schmidt; Matthias Berking; Eva-Lotta Brakemeier

Planung und Moderation:Lothar Duda; Eugene Epstein; Manfred Wiesner
Datum:Donnerstag, 16.03.2023 sowie Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-19:00 Uhr
Raum:L 113

Blickt man in diesen Zeiten auf den Zustand der Welt mit seinen menschengemachten Krisen, kann man rasch resignieren. Zum Glück gibt es ja Psychologie und Psychotherapie. Beide können uns helfen, das menschliche Versagen zu verstehen und auszuhalten – und gar die Verzweiflung, die manche erfasst, zu kurieren. Psychotherapie – die Insel des schier Guten und der Hoffnung in einem Ozean voller Gefahren? Auch die Psychotherapie ist Menschenwerk. Hm?! Unerschrockene können sich in den Katakomben der FU den Rest geben und einen Blick auf Wirrungen der Psychotherapie werfen.

Welchen homo und welches Denken hat die Psychotherapie geschaffen? Gibt es etwas zu tun? Und wenn ja, was?

An verschiedenen Installations-Stationen warten auf die Besucher*innen nach dem Primal Disaster, The Paperwork Disaster, The Determinability Disaster, The Business Disaster, The AI-Disaster, The Expansion Disaster, The Ethical Disaster – and A Way Out?

Mit Beiträgen von Sami Timimi MD, „Olaf Scholz“, Prof. em. Ken Gergen, Dr. Julia von Lucadou, Franz Kafka, Candice Breitz und diversen anderen …

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bloß nicht Ihre Psychotherapeut*innen.

>> zum Trailer

Organisatorisches:

Inspiriert durch die Arbeiten von Künstler*innen wie Marina Abramović oder Joseph Beuys, haben sich die Kuratoren der Installation in Bezug auf ihre zentrale Fragestellung – Muss Psychotherapie als ein man-made disaster betrachtet werden? – bewusst für das Format einer Installation statt eines Symposions entschieden. Anhand von Audio- und Videoclips, Inszenierungsmomenten, Exponaten und Postern wollen sie die Besucher*innen einladen, sich von den verschiedenen Darbietungen anmuten zu lassen, und einer kritischen Reflexion Raum bieten.

Bitte beachten: Für ein umfassendes Erlebnis der postmodernen 4.0 Installation wird ein Smartphone benötigt.

Wir empfehlen, für das Gesamterlebnis ca. 1,5 Stunden Zeit einzuplanen. Die Installation öffnet Donnertag (16.03.23) und Freitag (17.03.23) jeweils um 10.30 Uhr und ist bis ca. 19:00 Uhr zu besichtigen. Die Kuratoren der Installation werden für Gespräche zur Verfügung stehen.

Im Zusammenhang mit der Installation findet am Samstagnachmittag (18.03.23) um 16:30 – 18:00 Uhr der Round Table “Keine psychiatrischen Diagnosen mehr“ mit Sami Timimi MD (GB), Consultant Child and Adolescent Psychiatrist und Visiting Professor an der University of Lincoln, statt. Der Besuch der Installation wird für die Teilnahme am Round Table empfohlen, jedoch nicht zwingend vorausgesetzt.

Planung und Moderation:Silke Gahleitner; Sandra Wesenberg
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit14:00-16:00 Uhr
Raum:HS 1b

Der Forschungsverbund „TESTIMONY – Erfahrungen in DDR-Kinderheimen. Bewältigung und Aufarbeitung“ (2019-2022) hat sich der Erforschung von Bedingungen und Folgen der Unterbringung in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR gewidmet. An der Universität Leipzig, der Medical School Berlin, der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und der Universität Düsseldorf haben Psycholog*innen, Sozialwissenschaftler*innen, Mediziner*innen und Historiker*innen gemeinsam in vier Teilprojekten des Verbundes (gefördert vom BMBF) gearbeitet. Die Ergebnisse eröffnen bedeutsame Perspektiven auf Bedingungen, Folgen und Unterstützungsmöglichkeiten für diese Zielgruppe und ähnlich früh und schwer traumatisierte Klient*innen. Im Symposium werden in vier Beiträgen zentrale Ergebnisse vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die zentralen Wirkfaktoren gelingender Aufarbeitung und psychosozialer Unterstützungsprozesse.

Referate

Titel: Psychosoziale Langzeitfolgen nach Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch in Heimen und Jugendwerkhöfen der DDR

Es werden Ergebnisse einer Fragebogenstudie (Erhebungszeitraum 04/2020 – 12/2021) präsentiert. Insgesamt 273 Menschen mit DDR-Heimerfahrungen haben an der quantitativen Befragung der Universität Leipzig teilgenommen. Erfahrungen von Missbrauch und Vernachlässigung in der Herkunftsfamilie sowie in Heimen und Jugendwerkhöfen werden berichtet sowie Prävalenzen von Depressionen, Posttraumatischer Belastungsstörung und Somatisierung im Vergleich mit bevölkerungsrepräsentativen Daten. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Bericht von Erfahrungen von sexuellem Missbrauch in Herkunftsfamilien und/oder Institutionen der Jugendhilfe.

Doreen Hoffmann; Maya Böhm; Heide Glaesmer

Titel: Unterstützung für Betroffene von sexualisierter Gewalt in DDR-Kinderheimen – Erfahrungen zwischen erlebter Solidarität in psychosozialen Hilfesettings und fehlender kollektiver Aufarbeitung

In einem Teilprojekt des interdisziplinären Forschungsverbunds TESTIMONY werden die Lebensgeschichten von Menschen in den Blickpunkt gerückt, die in Heimen der DDR sexualisierte Gewalt erlebt haben. In der Interviewauswertung wird u. a. analysiert, welche Angebote psychosozialer Unterstützung von den Betroffenen als hilfreich erlebt wurden und welche Faktoren gelingende Hilfeprozesse kennzeichnen. Anhand eines Fallbeispiels wird im Vortrag nachvollzogen, inwiefern sich Solidarität als Kernelement professioneller Beziehungen – innerhalb dyadischer Beziehungen zwischen Klient*in und professionellen Helfer*innen wie auch in professionellen »Umgebungsmilieus« – beschreiben lässt. Andererseits verweist die Fallvorstellung eindrücklich auf die belastenden Folgen des Erlebens fehlender Solidarität im gesellschaftlichen Kontext.

Sandra Wesenberg; Silke Birgitta Gahleitner; Christian Paulick

Titel: Internetbasierte Imagery Rescripting Intervention nach DDR-Heimerfahrungen: Eine randomisierte Kontrollgruppenstudie

Das „Online-Programm nach DDR-Heimerfahrungen“ wurde auf Basis von imagery rescripting und schriftlicher Exposition als eine schreibtherapeutische Intervention für Menschen mit DDR-Heimerfahrungen entwickelt und von 2020-2021 durchgeführt (www.DDR-Heimerfahrung.de). Im Beitrag stellen wir das Programm und erste Ergebnisse der begleitenden randomisierten Kontrollgruppenstudie vor. In der Interventionsgruppe (n=38) ergab sich eine im Vergleich zur Kontrollgruppe (n=34) signifikant größere Reduktion von Depressivität, Ängstlichkeit, PTBS und kPTBS. Die Ergebnisse können als Hinweis auf die Anwendbarkeit und potenzielle Nützlichkeit der Online-Intervention für Menschen mit Heimerfahrungen angesehen werden. Klinische Implikationen und Einschränkungen werden im Beitrag diskutiert.

Birgit Wagner; Maya Böhm; Thomas Martin; Raphaela Grafiadeli

Titel: Aufarbeitung von Heimerfahrungen in historischer Perspektive

Der Beitrag fokussiert auf die verschiedenen historischen Zugänge zu DDR-Heimerfahrungen, die im medizinhistorischen Teilprojekt des „TESTIMONY“-Forschungsverbunds gewählt wurden. Dabei beleuchtet er ausgehend von disziplinär deutlich unterschiedlich definierten Aufarbeitungsbegriffen Ziele, Wege und Grenzen historischer Recherchetechniken zu individuellen Heimerfahrungen. Am Beispiel des 1964 gegründeten „Kombinats der Sonderheime für Psychodiagnostik und pädagogisch-psychologische Therapie“ wird skizziert, wie der Forschungsprozess in der Praxis verläuft und welche Erkenntnisse dadurch zu gewinnen sind. Problematisiert wird zugleich, welche Grenzen einem historischen Aufarbeitungsprozess in der Praxis gesetzt sind.

 Anne Oommen-Halbach; Uta Hinz; Heiner Fangerau; Felicitas Söhner

Planung und Moderation:

Gebhard Hentschel

Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:KL 32/102

Schlagworte wie „Erneuerung der Bedarfsplanung“, „Abschaffung des Gutachterverfahrens“ und „Komplexversorgung“ finden sich in vielen Pressemitteilungen und Artikeln einschlägiger Zeitschriften. In drei Beiträgen werden die Hintergründe dazu gelüftet, aktuelle Entwicklungen aufgezeigt, als auch die damit verbundenen Vor- und Nachteile für die ambulante psychotherapeutische Versorgung vorgestellt und diskutiert.

Referate

Titel: Bedarfsplanung – Wie viel ambulante Psychotherapie leistet sich unsere Gesellschaft?

Die Nachfrage nach ambulanter Psychotherapie steigt. Befragungen von Psychotherapeut*innen ergaben eine Zunahme der Anfragen in den Praxen um 40 % im Vergleich zur Vor-Corona- Zeit. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung prognostiziert eine weitere Steigerung des Bedarfs an ambulanter Psychotherapie bis 2030 um 25 %. Gleichzeitig schwindet die Bereitschaft der gesetzlichen Krankenkassen zusätzliche Vertragspsychotherapeut*innen-Sitze zu finanzieren. Wie gehen wir mit diesem Spannungsfeld um, welche Strukturen der ambulanten Versorgung brauchen wir und unsere Patient*innen, was sind unsere Forderungen an die Politik?   

Gebhard Hentschel

Titel: Neue Qualitätssicherungsmaßnahmen in der ambulanten Psychotherapie: Wie ist derzeit der aktuelle Stand des gesetzlichen Auftrags und welche Konsequenzen zieht eine Umsetzung nach sich?

Der Auftrag zur Entwicklung eines externen Qualitätssicherungsverfahren in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter wurde bereits im Mai 2018 vergeben. Es folgten in den Jahren darauf mehrere Gesetzesänderungen, die sich direkt auf diesen Auftrag auswirkten, ihn ausweiteten und konkretisierten. Die Komplexität und der aktuelle Stand der Entwicklung des Qualitätssicherungsverfahrens, als auch die sich daraus abzuleitenden Konsequenzen werden in diesem Beitrag vorgestellt und diskutiert.

Sabine Schäfer

Titel: KSVPsych-Rl: Was bringt uns die neue Komplexversorgung?

Die neue Richtlinie nach § 92 Abs. 6b SGB V enthält Regelungen für eine „berufs-gruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf“ (KSVPsych-Rl). Seit Oktober 2022 ist auch die Vergütung geregelt und die Richtlinie kann in der Versorgung umgesetzt werden, erste Behandler-Netze haben sich gegründet. Die neue Richtlinie wird in ihrer Entstehung und Zielrichtung vorgestellt und in ihren Möglichkeiten diskutiert. 

Barbara Lubisch

Planung und Moderation:Christoph Hausmann
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:HS 1a

In vier Vorträgen stellen die Psychologists for Future e.V. in Zusammenarbeit mit Timo Luthmann, Autor des Handbuchs "Nachhaltiger Aktivismus" die aktuellen Erkenntnisse der Klima-Psychologie mit Schwerpunkt auf die Förderung psychischer Resilienz und Gesundheit bei Klima-Engagierten und -Besorgten Menschen dar. Welche Besonderheiten ergeben sich für die psychotherapeutische Praxis, welche Herausforderungen und Verantwortung sehen wir für die Berufsgruppe, sowohl in konkreten Beratungs- und Therapiesettings als auch berufspolitisch? Verschiedene emotionale Reaktionen und Verarbeitungsformen auf die ökologischen Krisen, aber auch aufs Engagement wie beispielsweise Activist Burnout werden dargestellt. Alle Referent*innen sind Autor*innen des Titels "Climate emotions - Klimakrise und psychische Gesundheit" welcher im Oktober im Psychosozial Verlag erscheint (https://www.psychosozial-verlag.de/3168).

Referate

Titel: Klimaresilienz

Katharina van Bronswijk führt in die Konzepte individueller und kollektiver Klimaresilienz ein und gibt Impulse für die berufliche Arbeit sowie berufspolitische Aufgaben in den kommenden Jahren. Dabei werden die Grenzen von Resilienzkonzepten genauso diskutiert wie die Verantwortung der psychotherapeutischen Berufsgruppe im Anthropozän.

Katharina van Bronswijk

Titel: Vorstellung des Konzepts des Nachhaltigen Aktivismus und daraus resultierende Anfragen

Der Autor des Buchs "Politisch aktiv sein und bleiben. Handbuch Nachhaltiger Aktivismus" führt in das Konzept des Nachhaltigen Aktivismus ein. Anschließend gibt er Impulse aus aktivistischer Perspektive, die daraus für die Arbeit z.B. für Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen und Berater*innen resultieren.

Timo Luthmann

Titel: Psychologie des Klima-Engagements - Activist Burnout - Eine Bewegung und ein Planet brennen aus

In Hinblick auf die existenzielle Bedrohung der Klima- und Biodiversitätskatastrophe ist zivilgesellschaftliches Engagement alternativlos. Der Einsatz vor allem junger Menschen gilt der Einhaltung planetarer Grenzen sowie der Umsetzung von Umweltgerechtigkeit. Die überwältigende Menge an Aufgaben, den kaum erkennbaren Zusammenhang zwischen einzelner Aktivität und großen Zielen, Diskriminierungserfahrungen, repressive Gegenreaktionen sowie eine teils vorherrschende Selbstlosigkeitskultur bedrohen die psychische Gesundheit von Aktivist*innen: Sie laufen Gefahr einen Burnout zu erleiden. Kathrin Macha führt anhand der wissenschaftlichen Forschungslage in das aus anderen Themenfeldern bekannte Phänomen des Activist Burnout ein, zeigt die Potenzierung durch Dringlichkeit und Komplexität der Klima- und Biodiversitätskrise auf und skizziert unsere Rolle als Psychotherapeut*innen. Denn Activist Burnout bedroht nicht nur die psychische Gesundheit Betroffener, sondern auch den Fortbestand der Bewegungen: Einen aktuell unabdingbaren Teil für eine klimaresiliente Zukunft.

Philipp Schiebler

Planung und Moderation:Inken Höller
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:HS 1a

Alle 40 Sekunden stirbt ein Mensch an Suizid. Zwischen 15 - 29-Jährigen stellt Suizid sogar die zweithäufigste Todesursache dar. Wenn die Forschung bisher eins gezeigt hat, dann, dass es sich bei Suizidalität um ein komplexes, mehrfaktorielles Geschehen handelt, was die Vorhersage eines Suizidversuchs immens erschwert. Umso wichtiger ist es, Suizidalität differenziert und unter Bezugnahme verschiedenster Risikofaktoren zu verstehen und entsprechend behandeln zu können. Ziel des Symposiums ist es daher, einen Überblick über die aktuelle Suizidalitätsforschung sowie aktuelle Behandlungsmethoden zu geben.

Referate

Titel: Vom Gedanken zur Tat – Überblick zur aktuellen Suizidalitätsforschung

Suizidale Gedanken und suizidales Verhalten sind ein weltweit verbreitetes Phänomen, das bereits vielfach untersucht wurde. Doch um suizidale Gedanken frühzeitig erkennen zu können und so den Übergang zu suizidalem Verhalten womöglich zu verhindern, müssen wir Suizidalität differenziert und unter Bezugnahme verschiedenster Risikofaktoren verstehen. Denn die Forschung der letzten Jahre zeigt vor allem eins: Bei Suizidalität handelt es sich um ein komplexes, mehrfaktorielles Geschehen, was die Vorhersage eines Suizidversuchs immens erschwert. Ziel dieses Beitrags ist es daher, einen Überblick über den aktuellen Stand der Suizidforschung zu geben. Hierbei soll ein besonderer Fokus auf sogenannte proximale Risikofaktoren und deren Integration in ideation-to-action Modelle gelegt werden, die zwischen der Entstehung von suizidalen Gedanken und dem tatsächlichen suizidalen Verhalten unterscheiden.

Inken Höller

Titel: Psychotherapie nach Suizidversuch: was wirkt? 

Suizidversuche gelten als einer der wichtigsten Risikofaktoren für Suizide. Entsprechend sind wirksame Behandlungsangebote für Menschen nach Suizidversuch von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Suizidprävention. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Psychotherapieangebote für Personen nach einem Suizidversuch entwickelt und evaluiert. In diesem Beitrag soll der gegenwärtige Stand der Effektivitätsforschung zu suizidbezogenen Psychotherapieangeboten zusammengefasst und kritisch reflektiert werden. Ausgewählte Behandlungsangebote werden exemplarisch vorgestellt. Schließlich werden Faktoren, die einer Behandlungsaufnahme aus Patient:innensicht entgegen stehen können, benannt und ein Ausblick auf sinnvolle weitere Entwicklungen suizidbezogener Psychotherapieforschung skizziert.

Thomas Forkmann

Titel: Psychische Folgen und psychotherapeutische Unterstützung nach dem Suizid eines Angehörigen 

Jeder Suizid hinterlässt in der Regel 6 - 10 nahestehende Angehörige, welche durch die Folgen des Suizids direkt betroffen sind. Trauer nach einem Suizid weist spezifische Trauerreaktionen auf, die sich von anderen Todesumständen unterscheiden können. Häufig erleben Suizidhinterbliebene Stigmatisierung und Schuldzuweisungen aus dem Umfeld, Schamgefühle aufgrund des Suizids sowie weitreichende psychosoziale Beeinträchtigungen. Suizidtrauernde weisen zudem selbst ein erhöhtes Suizidrisiko auf und gelten als Hochrisikogruppe für psychische Erkrankungen. Der Beitrag beschäftigt sich mit psychosozialen Interventionen für die Angehörigen unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands und stellt therapeutische Implikationen für die Arbeit mit Suizidtrauernden vor.

Birgit Wagner

Titel: Suizidalität im Kindes- und Jugendalter

Der Großteil der Jugendlichen, die von Suizidgedanken zu einem Suizidversuch übergehen, berichten von ihrem ersten Versuch innerhalb von ein bis zwei Jahren nach Erstmanifestation der Suizidgedanken. Aktuelle Entwicklungstendenzen, die ein deutlich jüngeres Erstmanifestationsalter nahelegen, als auch die zunehmend hohen Raten der suizidbedingten Sterblichkeit bei Jugendlichen unterstreichen die Dringlichkeit, verlässliche und potenziell modifizierbare Risikofaktoren und Warnsignale speziell für diese Altersgruppe zu identifizieren und nachhaltig zu behandeln. Dieser Vortrag nimmt, unter Berücksichtigung zentraler entwicklungspsychologischer Aspekte, eine Synthese aktueller empirischer Evidenz zur Phänomenologie der Suzidialität im Kindes- und Jugendalter sowie adäquater Verhaltensinterventionen für akut suizidgefährdete Jugendliche vor. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf begünstigenden Faktoren hinsichtlich der Offenlegung suizidaler Gedanken und Verhaltensweisen im psychotherapeutischen Prozess.

Aleksandra Kaurin

Planung und Moderation:Birsen Kahraman
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:HS2

 Im ersten Nationalen Rassismusmonitor (DeZIM, 2022) geben 22% der Befragten in Deutschland an, dass sie rassistische Diskriminierungserfahrungen haben. Rassismuserfahrungen haben auf interpersoneller, aber auch institutioneller und struktureller Ebene erhebliche Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit (Yeboah, 2017). Dennoch werden Rassismuserfahrungen in der klinischen Praxis und deutschsprachigen Forschung bislang kaum systematisch erfasst. Ebenso wenig haben wir bislang Konzepte und Curricula, um Rassismuserfahrungen in der Psychotherapie bzw. in der Aus- und Weiterbildung wirksam zu adressieren. Dieses Symposium möchte anhand aktueller Forschungsergebnissen und Praxisbeispiele über Folgen von Rassismus / Bearbeitungsmöglichkeiten informieren und günstige institutionelle Rahmenbedingungen reflektieren.

Referate

Titel: Vielfalt, gerne! Rassismus, lieber nicht?

Ansätze zur Förderung einer vielfaltssensiblen und rassismuskritischen Organisationsentwicklung in Kliniken werden vorgestellt. Die Referentin gibt einen Einblick in ihre Arbeit und liefert Beispiele gelungener Praxis, um Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus in der eigenen Einrichtung zu implementieren.

Sidra Khan-Gökkaya

Titel: Wozu und Wie rassismussensible Psychotherapie?

Bislang wurde die Behandlung von Klient*innen mit Migrationsgeschichte bzw. von nicht deutsch gelesenen Klient*innen vor allem unter interkulturellen/ transkulturellen Ansätzen konzeptualisiert. Inzwischen kommen immer häufiger Klient*innen mit dem Wunsch nach rassismuskritischer Behandlung in die Praxis, da sie in ihren privaten oder professionellen Beziehungen dauerhaft krankmachende Ausgrenzungserfahrungen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Herkunft, Religion und/ oder Kultur machen. Darum ist es notwendig, dass Behandler*innen  Rassismuserfahrungen und Folgestörungen identifizieren und darauf eingehen können. Dieser Beitrag führt anhand von Fallbeispielen in relevante Konzepte für rassismussensible Psychotherapie ein.

Birsen Kahraman

Titel: Brauchen Kinder/ Familien rassismussensible Beratung und Therapie?

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Auswirkungen von Rassismus, v.a. auf Kinder und Jugendliche bzw. auf Eltern- und Partner*innenschaft. In Form eines Gesprächs soll erörtert werden, mit welchen Fragen, Anliegen und Symptomen Betroffene in die Beratung/ Therapie kommen, welche Unsicherheiten bei Behandler*innen auftreten, wie wir die eigene Positionierung reflektieren können und wann bzw. wie rassismussensible Beratung/ Therapie gelingen kann.

Stephanie Cuff-Schöttle

Planung und Moderation:Heiner Keupp; Bernhard Scholten
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:HS 1b

Sexualisierte Gewalt in Familien und Institutionen ist seit 2010 aus der Latenz, die durch Schweigen, Verharmlosung und Vertuschung möglich wurde, öffentlich geworden. Es waren Betroffene aus kirchlichen und reformpädagogischen Institutionen, die den Mut hatten, einer unvorbereiteten Gesellschaft das ihnen zugefügte Unrecht aufzuzeigen. Sie haben Aufklärung, Aufarbeitung und Anerkennung von Politik und Institutionen eingefordert. Seither hat sich ein Handlungsfeld entwickelt, in dem ein Runder Tisch, ergänzt durch einen Eckigen Tisch der Betroffenen, erste Weichen gestellt hat, die Schaffung des Amtes einer Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung erfolgte, ein Betroffenenrat und eine Unabhängige Aufarbeitungskommission berufen wurden. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass die Spitze des Eisbergs gut benannt werden kann, dass es aber unverändert ein unzureichend aufgeklärtes und aufgearbeitetes Dunkelfeld gibt. Eindeutig belegt ist, dass es für Betroffene nicht die Psychotherapie- und Beratungsangebote gibt, die sie dringend brauchen.

In diesem Symposium wird das politische und institutionelle Handlungsfeld zu Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt von verantwortlichen Akteurinnen beschrieben werden. Sie werden thematisieren, wie eine gute gesetzliche und politische Basis für die noch lange notwendigen Aktivitäten abgesichert werden kann. Diese brauchen auch die politische Unterstützung psychosozialer Fachverbände. Dabei werden die Referentinnen ihre Erwartungen an psychosoziale Fachleute formulieren, damit sich diese mit ihren professionellen Kompetenzen an diesem gesamtgesellschaftlichen Projekt engagieren können.

Referate

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern - Eine Bestandsaufnahme

Seit der öffentlichen Debatte um die sexuellen Übergriffe im Canisius-Kolleg und der Odenwald-Schule hat die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs auch in Deutschland begonnen. Das Referat zeichnet die gesellschaftspolitischen Entwicklungen nach: angefangen von dem spontan von drei Ministerien initiierten "Runden Tisch" unter Leitung der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann bis zur heutigen Diskussion um eine gesetzgeberische Absicherung dieser Aufarbeitungsarbeit.

Sabine Andresen

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern – die Perspektive einer Betroffenen 

Angela Marquardt ist seit 2020 Mitglied des Betroffenenrates bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und ständiger Gast in der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs auf Bundesebene.

Der Beitrag wird ausgewählte Perspektiven von Betroffenen darstellen. Dabei soll schwerpunktmäßig die Frage diskutiert werden, was aus Sicht von Betroffenen notwendig ist, damit Aufarbeitung stärkend sowie entlastend wirken kann. Der Beitrag wird versuchen, die Erwartungen von Betroffenen an die Psychotherapie und die fehlenden Möglichkeiten zu skizzieren. Gleichzeitig sollen damit potentielle Aufgaben von Psychotherapie, klinischer Psychologie und Beratung sowohl für den individuellen wie auch für die gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozesse beschrieben werden. Der Beitrag soll grundsätzliche Erwartungen von Betroffenen an diese Aufarbeitungsprozesse aufzeigen.

Angela Marquardt

Titel: Sexualisierter Gewalt in Psychotherapie und Beratung wirksam begegnen – wider eine viktimisierende Kultur

Sexualisierte Gewalt ist für die meisten Betroffenen mit schweren psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen verbunden. Eine gelingende Therapie ist jedoch „fast ... ein Sechser im Lotto”, so ein aktuelles Forschungsprojekt der Kommission. Die heutige Psychotherapie entlang dem medizinischen Modell in Forschung wie Praxis bietet nur wenig Raum für schwer belastete Hilfesuchende. Fachberatungsstellen sind breiter orientiert, aber längst nicht flächendeckend vorhanden. Die Versorgungshürden haben damit zu tun, dass Gewalt als individuelles gesundheitliches Problem statt als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse betrachtet wird. Die gesellschaftlich verantworteten Versorgungs- und Qualitätsdefizite haben jedoch individuelle Folgen: Betroffene finden kaum fachgerechte Angebote. In dem Beitrag soll auf Basis einer kurzen Bestandsaufnahme skizziert werden, wie Psychotherapie und Beratung gewaltbetroffenen Menschen fachgerecht eine Chance bieten und im besten Falle Teil einer Gerechtigkeits- und Selbstbemächtigungsorientierung werden könnte.

Silke Birgitta Gahleitner

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern – die gesellschaftspolitischen Implikationen und Erwartungen

Seit vielen Jahren gibt es zunehmend strukturierte Versuche, den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gesellschaftspolitisch aufzuarbeiten. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs hat gemeinsam mit dem UBSKM-Amt (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs) zahlreiche Initiativen gestartet, um diese Aufarbeitung zunehmend möglich zu machen und inhaltlich zu qualifizieren. Es wurden Maßnahmen zur Aufarbeitung des Missbrauchs in Kirchen, Schulen und Sportverbänden gestartet, und auch im zentralen Kontext des Missbrauchs in Familien. Aufarbeitung an sich ist bisher gesetzlich jedoch nicht geregelt, für kein System, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Ziel eines aktuell vorbereiteten Gesetzgebungsverfahrens zur Verankerung des UBSKM-Amtes soll auch die Stärkung von Aufarbeitung sein. Eine Debatte im Rahmen des Symposiums, warum dies wichtig ist und wie dies ausgestaltet werden könnte, soll durch den Beitrag angeregt werden.

Kerstin Claus

Planung und Moderation:Annett Kupfer
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:HS 1b

Rassismus und rassistische Diskriminierung sind allgegenwärtig – auch in ihren exkludierenden, entwürdigenden und herabsetzenden Folgen für Betroffene. Sind ihre negativen Auswirkungen im Allgemeinen vielfach belegt, existieren allerdings im deutschsprachigen Raum hinsichtlich der Folgen für die psychische Gesundheit bis hin zu möglichen durch erlebten Rassismus ausgelösten Traumatisierungen nur wenige Studien. Im Symposium wird daher zum einen der Zusammenhang zwischen Rassismuserfahrungen, psychischer Gesundheit und traumaspezifischen Stressreaktionen diskutiert, auch indem rassistische Diskriminierungen sozialpolitisch und gesamtgesellschaftlich eingebettet als "man made desasters" entworfen werden. Im Kontext wiederkehrender, von außen induzierter Rassismuserfahrungen wird jedoch zugleich die Begrenztheit einer Diagnose wie „PTBS“ hinterfragt. Zum anderen wird im Symposium nach der Rolle und Funktion psychosozialer Beratung und hier speziell der Relevanz einer rassismuskritischen und zugleich traumasensiblen Perspektive in professionellen Hilfsangeboten gefragt.

Referate

Titel: Diagnostisches Fallverstehen mit geflüchteten Menschen diskriminierungssensibel gestalten: Das Projekt TraM

Ziel des vom BMBF (Forschung an Fachhochschulen, 09/2019 bis 12/2022) geförderten Projektes TraM (Traumatisierte minderjährige Geflüchtete verstehen und unterstützen) war, ein zielgruppenspezifisches Diagnostikmodell zu erstellen. Auf Basis qualitativer Daten (problemzentrierte Interviews mit jungen geflüchteten Menschen und Gruppendiskussionen mit psychosozial tätigen Fachkräften) und der Zusammenschau von bereits bewährten Konzepten sozialer Diagnostik wurde ein Modell erstellt, in die Praxis implementiert und formativ evaluiert. Deutlich wurde, dass die jungen Menschen von umfangreichen rassistischen Diskriminierungen betroffen sind. Diese Erfahrungen und der Umgang mit ihnen hatte erheblichen Einfluss auf den Ankommens- und Entwicklungsprozess der jungen Menschen. Ausgrenzungs- und Ohnmachtserfahrungen sind daher in der Interventionsplanung psychosozial tätiger Fachkräfte an vorderer Stelle zu bedenken. Der Vortrag stellt zunächst die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts und auf deren Basis das erstellte Diagnostikmodell vor. Dabei wird besonders in den Fokus genommen, wie es gelingen kann, diagnostisches Fallverstehen diskriminierungssensibel zu gestalten. 

Silke Birgitta Gahleitner; Lisa Große

Titel: „Gefangen in der Gesellschaft“ – rechte, rassistische und antisemitische Gewalt schmerzt – verletzt – tötet. Neue Perspektiven und Wege für die Beratung

In verschiedenen Studien wird deutlich, dass zwar die körperlichen Folgen nach einem Angriff nicht schwerer sind als bei nicht politisch motivierter Gewalt, jedoch die psychischen Folgen signifikant höher sind. Dies lässt sich nicht allein aus der erlebten Situation heraus erklären, vielmehr ist die erlebte Gewalt als Zuspitzung permanenter und alltäglicher Rassismus- und Diskriminierungserfahrung heraus verstehbar. Die Komplexität bei rassismusbezogenen Viktimisierungsprozessen kann bei der Unterstützung von Betroffenen undurchsichtig wirken. Daher müssen Ansätze, die sich der Versorgung und Unterstützung von Betroffenen widmen, über (1) ein fundiertes Wissen hinsichtlich Entstehung und Folgen gesellschaftlicher Machtverhältnisse verfügen, (2) die existenziell bedrohliche Qualität von Rassismus- und Diskriminierungserfahrung als Permanenzereignis wahrnehmen und (3) Möglichkeitsräume eröffnen - in denen Handlungsfähigkeit (angesichts möglicher neuer Verletzungen) möglich ist. Erkenntnis aus der Beratung von Betroffenen eröffnet neue Perspektiven und eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten.

Eben Louw; Robert Enge

Titel: Psychische Gesundheit und wahrgenommene Diskriminierung bei Leipziger Bürger*innen syrischer Nationalität

Hintergrund: Menschen mit eigener Einwanderungsgeschichte und insbesondere mit Fluchterfahrung haben ein hohes Risiko nicht nur vor und während der Einwanderung bzw. Flucht, sondern auch nach dem Ankommen in einem sicheren Aufnahmeland einer Reihe von widrigen bzw. traumatischen Erfahrungen ausgesetzt zu sein. Rassismus und Diskriminierungen gehören zu solchen Erfahrungen und stellen somit eine Gefahr für das psychische Wohlbefinden der Betroffenen dar. Im Rahmen einer Befragung Leipziger Bürger*innen syrischer Nationalität wurde dem Zusammenwirken zwischen wahrgenommener Diskriminierung und psychischem Wohlbefinden nachgegangen. Methode: 513 Leipziger*innen syrischer Nationalität haben zwischen September 2021 und März 2022 an einer postalischen Befragung zum allgemeinen psychischen Wohlbefinden und Erfahrungen mit Diskriminierungen in unterschiedlichen Lebensbereichen teilgenommen. Neben den soziodemographischen Fragen und Fragen zu wahrgenommener Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen, wurden standardisierte Skalen zur Erfassung der Symptome von Angst (GAD-7), Depression (PHQ-9) sowie Posttraumatischer Belastungsstörung (PCL-5) eingesetzt. Zusätzlich zu den deskriptiven Analysen sind inferenzstatistische Rechnung zu möglichen Zusammenhängen zwischen wahrgenommener Diskriminierung und psychischer Belastung geplant. Vorläufige Ergebnisse: Insgesamt berichten 10,3% der Befragten, dass sie noch nie aufgrund ihrer Nationalität bzw. ihres Migrant*innenstatus diskriminiert wurden, entsprechend berichten 89,7% von derartigen Erfahrungen in mindestens einem der erfassten Bereiche (73,7% bei der Wohnungssuche, 70,2% in öffentlichen Räumen wie dem ÖPNV oder beim Einkaufen, 54,5% während der Arbeitssuche, 54,9% in Behörden bzw. auf dem Amt, 51,9% in der Schule oder auf der Arbeit und 31% im Gesundheitswesen). Mit Blick auf das psychische Wohlbefinden berichten 38,3% von klinisch relevanten Symptomen der Angst, 28,7% der Depression und 25,3% der Posttraumatischen Belastungsstörung. Detaillierte Analysen zu möglichen Zusammenhängen zwischen psychischer Belastung und wahrgenommener Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen werden im Vortrag berichtet und diskutiert.

Yuriy Nesterko

Titel: Rassismus, Trauma und Beratung. Rassistische Diskriminierungen als gesellschaftlich gerahmte ‚man made desasters‘ und ihre psychosoziale Bearbeitung

Professionelle in der therapeutischen Arbeit sollten in der Lage sein, Rassismus zu erkennen und ihre eigene soziale Position in Bezug zu Rassismus zu reflektieren. Sie sollten Rassismus als Ergebnis geschichtlicher, wissenschaftlicher und sozialer Prozesse konzeptualisieren können. Des Weiteren sollten sie wissensbasiert und kompetent über Rassismus sprechen, und vor allem einen professionellen Umgang mit dieser spzezifischen Form der strukturellen Gewalt in der Alltagspraxis finden. Dieser Beitrag fokussiert die Handlungsfähigkeit anhand der genannten Kompetenzen.

Amma Yeboah

Planung:Andrea Benecke; Karl Wilhelm Höffler; Andreas Böse
Moderation:Alexandra Klich; Andreas Böse
Podium:

Pia Lamberty; Christian Bialluch; Samuel Niklas Thoma

Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:HS 1a

Das Symposium mit dem Titel „Psychotherapeut*in sein und politische Haltung“ wird mit einem Vortrag von Pia Lamberty zum Thema „Entwicklung extremer politischer Einstellungen und die Entwicklung von Verschwörungstheorien“ eingeleitet. Anschließend werden wir mit Pia Lamberty und den Kollegen Christoph Bialluch sowie Samuel Niklas Thoma in einer moderierten Diskussion erörtern, wie im therapeutischen Kontext mit diesen Einstellungen umgegangen werden kann. Ist es ausreichend darauf zu verweisen, dass diese Themen in der Therapie keine Rolle spielen oder sind es sogar genau diese Themen, die bei der Entwicklung einer psychischen Störung oder deren Aufrechterhaltung eine Rolle spielen und daher unbedingt thematisiert werden sollten. Wie gehe ich als Therapeut*in damit um, wenn jemand die eigenen grundlegenden Werte nicht teilt? Darf ich eigene politische Einstellungen oder grundlegende politische Vorstellungen kommunizieren oder verbietet sich so etwas völlig? Welche Strategien können dabei helfen, trotz unterschiedlichster Meinungen zu bestimmten Themen, die therapeutische Bindung aufrechtzuerhalten und wo könnten die Grenzen einer therapeutischen Zusammenarbeit liegen? Diese und weitere Fragen sollen mit Pia Lamberty, Samuel Niklas Thoma und Christian Bialluch auf dem Podium und natürlich auch mit den teilnehmenden Kolleg*innen im Rahmen dieses Symposiums besprochen werden.

Planung und Moderation:Lea Bogatzki
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:Hs 2

Geflüchtete haben eine hohe Prävalenz von psychischen Störungen. Zahlreiche Zugangsbarrieren verringern die Inanspruchnahme von Psychotherapie. Dieses Symposium beleuchtet die Versorgung im kassenfinanzierten Regelsystem aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Therapeutenperspektive greift einerseits die problematische Selektion von Patient:innen auf (Projekt Bielefeld), andererseits werden die Erfahrungen bei der Behandlung Geflüchteter thematisiert (Projekt Furchtlos Konstanz). Im 3. Beitrag wird die aktuelle Versorgungssituation beleuchtet sowie das Konstanzer Modellprojekt zur Integration Geflüchteter in die Regelversorgung vorgestellt. Im 4. Beitrag wird die Effektivität sowie die Perspektive einer neuen Berufsgruppe, der sog. Peers (Mitgeflüchtete), basierend auf einer qualitativen Befragung im Konstanzer Modellprojekt fokussiert. Die Diskussion soll die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen der Zuhörer:innen integrieren und Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Versorgungssystems aufgreifen.

 

Referate

Titel: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit“ Idealismus vs. Realität - Psychotherapeutische Gesundheitsversorgung von Geflüchteten

Noch nie war die Zahl der Menschen, die vor Verfolgung, Konflikten und Krieg fliehen so hoch wie heute. Deutschland zählt aktuell 1,4 Millionen Geflüchtete. Unfreiwillige Migration geht mit einem erhöhten Morbiditätsrisiko für psychische Störungen einher. Expert:innen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schätzen, dass 50% der in den letzten Jahren nach Deutschland gekommenen Geflüchteten traumabedingte psychische Störungen haben und dass ca. 25% von ihnen professionelle psychotherapeutische Hilfe bedürfen. Das deutsche Gesundheitssystem ist nicht ausreichend vorbereitet, um dieser gesundheitlichen Versorgungsaufgabe zu begegnen und es besteht eine große Diskrepanz zwischen Bedarf und tatsächlicher Versorgung. Strukturelle Zugangsbarrieren erschweren und verringern eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme von Psychotherapie. Welche Möglichkeiten gibt es dennoch, Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. anzubieten? Wie funktioniert die Abrechnung und wer ist Kostenträger für Gesundheitsleistungen, wenn noch keine Krankenkassenkarte vorhanden ist? Wie können wir als Psychotherapeut:innen Brücken bauen, um einem diskriminierungsfreien Zugang zum Menschenrecht auf Gesundheit zu gewährleisten?

Lea Bogatzki

Titel: Othering von Geflüchteten? Einstellungen von Psychotherapeuten gegenüber Patienten mit und ohne Fluchthintergrund

Ein großer Teil geflüchteter Menschen weist Traumafolgestörungen auf, die eine psychotherapeutische Behandlung erfordern. Doch selbst in Ländern mit einem etablierten Psychotherapiesystem stoßen Geflüchtete nach wie vor auf Hindernisse bei der Versorgung. Vorherige Forschung hat gezeigt, dass Einstellungen von Gesundheitspersonal zu Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung von marginalisierten Populationsgruppen beitragen können. Allerdings ist wenig über die Einstellungen von Psychotherapeuten gegenüber Geflüchteten bekannt. Basierend auf einer Studie mit ambulanten Psychotherapeuten in Deutschland werden Unterschiede in den Einstellungen gegenüber geflüchteten und nicht geflüchteten Patienten beleuchtet. Der Zusammenhang zwischen Einstellungen und Ungleichheiten in der psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten wird eruiert und Empfehlungen für die therapeutische Praxis abgeleitet.

Lars Dumke; Frank Neuner

Titel: “Es lohnt sich dranzubleiben“ - ambulante Psychotherapie von Geflüchteten im deutschen Gesundheitssystem

Obwohl Psychotherapie mit geflüchteten Patient:innen im Exilland wirksam ist, können in der Therapie organisatorische und inhaltliche Herausforderungen auftreten. Um diese Herausforderungen zu reduzieren, wurden im Rahmen des Modellprojekts "Furchtlos" angehende Therapeut:innen, ihre Supervisor:innen, Sprachmittler:innen und Gesundheitspat:innen in Baden-Württemberg geschult und unterstützt. Therapeut:innen, die im Rahmen dieses Modellprojekts einen Fall übernahmen, wurden zu der organisatorischen und inhaltlichen Durchführung und ihrem persönlichen Erleben der Therapie befragt. Die vorliegende qualitative Studie untersucht, wie sich Herausforderungen in der ambulanten Psychotherapie mit Geflüchteten auf die Motivation der Therapeut:innen für zukünftige Therapien mit Geflüchteten auswirken. Darüber hinaus sollen hilfreiche Strategien der Therapeut:innen im Umgang mit diesen Herausforderungen dargestellt werden.

Flurina Potter; Marlene Zehb; Katalin Dohrmann; Veronika Müller-Bamouh; Brigitte Rockstroh; Anselm Crombach

Titel: Psychotherapeutische Regelversorgung für Geflüchtete – das Konstanzer Modellprojekt mit Koordinierter Behandlung unter Einsatz von Gesundheitspat:innen (KOBEG)

Um der Versorgungsherausforderung zu begegnen und eine kultursensible und deckende Versorgung zu realisieren, wurde 2017 im Landkreis Konstanz ein Modellprojekt aufgebaut, mit dem Ziel, psychisch belastete Geflüchtete besser in die Regelversorgung zu integrieren. Das Projekt fokussiert sich auf einen Landkreis als kommunale Verwaltungseinheit mit einheitlicher Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes und beinhaltet zwei Komponenten: Die koordinierte Versorgung und der Einsatz von trainierten Peers (Gesundheitspat:innen). Geflüchtete werden über eine Koordinierungsstelle in Regelpsychotherapie vermittelt und erhalten durch Gesundheitspat:innen interkulturelle Wissensvermittlung, Motivationsaufbau und eine Begleitung des Prozesses der Vermittlung in die Regelversorgung. Zudem erfolgt die Organisation von Sprachmittlung, die Vertretung gegenüber Kostenträgern sowie inhaltliche und organisatorische Unterstützung für Psychotherapeut:innen. Erste Ergebnisse bestätigen die Machbarkeit, geringe Abbruchzahlen und positive Effekte der Psychotherapien auf die Symptombelastung der Geflüchteten. Die neue Berufsgruppe der Gesundheitspat:innen gibt überwiegend an, dass die Tätigkeit des Helfens bereichernd ist, wobei sich der Aufbau von Vertrauen und das Miterleben von schwerem Leid teilweise als Herausforderung darstellt.

Lea Bogatzki; Daniela Mier; Brigitte Rockstroh; Michael Odenwald

Planung und Moderation:Wolf Ortiz-Müller
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 1a

„Man-made disasters“ – dieses Kongressthema trifft im doppelten Wortsinn auf häusliche Gewalt, auf Stalking und letztlich auf alle Formen interpersoneller Gewalt im sozialen Nahraum zu. Überwiegend sind es Männer*, die zu den offenkundigen Verursachern dieser Traumata für die betroffenen Frauen* werden. Die Verletzungen gehen umso tiefer, als sie zumeist von einer (ehemals) geliebten Person verübt werden. „Are they mad or bad?“ – im Spannungsfeld dieser Frage bewegen sich psychosoziale Beratung und strafjustizielle Verfolgung. Die Istanbul Konvention erhebt neue Standards, welche Schutzmaßnahmen deutschlandweit und flächendeckend für Frauen* zu etablieren sind und sie fordert zugleich den Ausbau von Täterarbeitsprogrammen. Die Betroffenen können sich Schutz und Unterstützung suchen – aber nur die Täter*innen können die Gewalt beenden. In dem Symposium stellen Einrichtungen aus Berlin und Hannover ihre Ansätze vor, mit denen sie beraterisch, therapeutisch und institutionell Vorgehensweisen entwickeln und praktizieren, um die bisherigen Versorgungslücken zu schließen.

 

Referate

Titel: Proaktive Täter*innenarbeit am Beispiel der Servicestelle Wegweiser in Berlin - Chancen und Hemmnisse

Artikel 16 der Istanbul-Konvention benennt Täter*innenarbeit als notwendigen Teil des wirkungsvollen Opferschutzes. Gleichzeitig kommt bei den vorhandenen Angeboten der Täter*innenarbeit nur ein Bruchteil ihrer Zielgruppe an. Best-Practice-Beispiele zeigen, dass proaktive Kontaktaufnahme in der Täter*innenarbeit zu deutlich höherer Inanspruchnahme von Hilfsangeboten führt, die zur Beendigung von Gewaltspiralen und damit zur Prävention beiträgt. Das Berliner Projekt Servicestelle Wegweiser hat die proaktive Ansprache von Menschen, denen grenzüberschreitendes Verhalten im sozialen Nahraum vorgeworfen wird und deren Vermittlung in geeignete Hilfsangebote zum Ziel. Der Beitrag gibt Einblick in den Aufbau der Servicestelle, des dazugehörigen Netzwerks und das laufende Pilotprojekt mit der Berliner Polizei.

Inna Friedland

Titel: „Die Täter:innenarbeit manualisieren?!“

Im Wechselspiel von alltäglicher Beratungspraxis und deren theoretischer Reflexion ist ein Manual der Täter:innenarbeit bei Stop-Stalking mit 20 Modulen entstanden. Diese Bausteine beschreiben zu erreichende Ziele und dafür entwickelte Vorgehensweisen, die fallspezifisch und flexibel eingesetzt werden. Neben dem Meta-Ziel, das Stalkingverhalten einzustellen, sind viele komplementäre Teilziele, wie beispielsweise „Risikoassessment“, „Tatkonfrontation“ und „Opferempathie“ ausgearbeitet. Diese orientieren sich am Verständnis der Wirkungsforschung, so dass Ratsuchende wie Berater:innen jeweils evaluieren können, in welchem Umfang die intendierten Ziele im Beratungsprozess erreicht werden konnten. Der Beitrag reflektiert, wie die Manualbasierung die Beratungspraxis beeinflusst.

Wolf Ortiz-Müller

Titel: Täter*innen-Module in der Praxis – eine Fallvignette

Die Umsetzung der ausgearbeiteten Module bei Stop-Stalking erfährt anhand einer Fallvignette aus der Beratungspraxis eine vertiefende Betrachtung. Der Schwerpunkt soll auf den Modulen "Verständnis für Motive und Ursachen des Stalkingverhaltens“, „Tatkonfrontation“ und „Opferempathie“  liegen. Welche Chancen und Limitationen bietet eine Manualisierung für die Qualitätssicherung? Inwieweit kann damit die therapeutische Balance zwischen Prozess- und Beziehungsorientierung einerseits sowie Deliktfokussierung andererseits austariert werden? Diese Fragen sollen in der Auseinandersetzung mit der Manualbasierung aufgegriffen und diskutiert werden.

Tabea Kraus

Titel: Bedingungen und Haltungen bei Täterarbeit Häuslicher Gewalt - was hat das in der Paarberatung (nicht) zu suchen?

In diesem Beitrag geht es um eine Auseinandersetzung mit der Problematik des Bearbeitens von Häuslicher bzw. Partnerschaftsgewalt in der Paarberatung. Die Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. machen deutlich, dass bei Häuslicher Gewalt eine Paarberatung zur „Konfliktlösung“ nicht zu empfehlen ist, wenn zuvor keine Verantwortungsübernahme des Gewalttäters erfolgt ist. Die Gefahr besteht darin, dass das Setting vom Opfer als geschützter Raum erlebt wird - solange jedoch die Gewalt nicht gestoppt und vom Täter bearbeitet ist und seitens des Täters die Verantwortung für die Gewalt übernommen wurde, handelt es sich nicht um einen geschützten Raum. Die Thematisierung von Gewalt in der Paarberatung stellt im Gegenteil ein mögliche erneute Gefährdung des Opfers dar. Daher ist die Paarberatung an ganz konkrete Bedingungen geknüpft, deren Hintergrund in diesem Beitrag erörtert wird.

Almut Koeslin


Planung und Moderation:Vivien Victoria Semper

 

Das Bewusstsein für den Blick der Ergotherapie als ein Baustein in der Identitätsbildung bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. 

Carola Globig Ergotherapeutin Spektrum Praxis 

Berufliche Rehabilitation ist Identitätsarbeit Flankierende Maßnahmen für Menschen mit psychischen Erkrankungen. 

Robert Wieczorek Fachanleiter Mediengestaltung

 

Planung und Moderation:Anja Görtz-Dorten
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 2

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie unterliegen dem Wandel des „digitalen Zeitalters“ aufgrund der Zielpopulation in besonderem Maβe. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass moderne Medien im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eine ganze Bandbreite neuer Möglichkeiten und Chancen bieten, die Wirksamkeit unserer Therapien zu verbessern. Sie werden daher wahrscheinlich in der Zukunft einen zunehmenden Stellenwert einnehmen, wobei die Möglichkeiten und die Grenzen digitaler Unterstützung in Diagnostik, Prävention und Therapie noch auszutesten sind. Erfahrungen der letzten Jahre und empirische Befunde zu diesem Medium sollen in dem Symposium zusammengetragen und diskutiert werden. Im Symposium soll zunächst auf die Möglichkeiten der Nutzung von Apps auf Smartphones in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eingegangen und ein Überblick über den aktuellen Entwicklungs- und Forschungsstand gegeben werden. Im Anschluss sollen zwei Therapie-Apps (AUTHARK, die App-unterstützte Therapiearbeit für Kinder und JAY, die Journaling APP for Youth) ausführlicher präsentiert sowie erste Ergebnisse zu ihrer Wirksamkeit in der Diagnostik und Therapie vorgestellt und diskutiert werden. Im darauffolgenden Teil des Symposiums soll ein virtuelles Interaktionstraining und ein virtueller Interaktionstest (VIT 4 KIDS) für Kinder mit aggressivem Verhalten, die beide derzeit evaluiert werden, vorgestellt und bisherige Erfahrungen der Pilotierung berichtet werden. Zum Abschluss wird das therapeutisches Online-Coaching (THONCO) bei Zwangs- und Tic-Störungen vorgestellt und die Ergebnisse zweier Einzelfallstudien präsentiert.

Referate

Digital unterstützte Psychotherapie durch Smartphone-Apps am Beispiel von AUTHARK & JAY

Hintergrund: Eine Ergänzung der klassischen Kinder- und Jugendlichenverhaltenstherapie erscheint indiziert, weil ihre Wirksamkeit zwar durchaus belegt, jedoch insgesamt begrenzt ist, längst nicht alle Patienten in dem erwünschten Ausmaß von der Therapie profitieren und es noch Raum zur Verbesserung gibt, selbst bei relativ wirkungsvollen Therapieformen.
Der Einsatz neuer Medientechnologien, wie Smartphone-Apps (Applikation, Anwendungssoftware für Mobilgeräte), könnte helfen, Therapieeffekte zu verbessern und bekannte Methoden zu optimieren.

Methode: Zwei Smartphone-Apps - die App-unterstützte Therapie-Arbeit für Kinder (AUTHARK) und die Journaling App for Youth (JAY) -  wurden für die Anwendung in einem breiten Störungsspektrum bei Kindern und Jugendlichen entwickelt. Die Apps sind primär für den Einsatz im Rahmen einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie konzipiert. Beide  Apps sind als Therapiebegleitung zur Optimierung von Therapie gedacht und sollten unter Anleitung einer Therapeutin / eines Therapeuten verwendet werden. Sie dienen neben der Förderung des Transfers von Bewältigungsstrategien, die in der Therapie erarbeitet wurden, auch der Unterstützung einer spezifischen Diagnostik und der Verlaufskontrolle.
Beide Apps können spezifische Informationen über vom Patienten erlebte Problemsituationen einschließlich Kognitionen, Emotionen und Verhalten im Alltag liefern und den Transfer von erarbeiteten Bewältigungsstrategien in den Alltag erleichtern und überprüfen sowie die Motivation zur Durchführung der Therapieaufgaben erhöhen. AUTHARK ist für den Altersbereich der 8-12-Jährigen und die Smartphone-App JAY  für den Altersbereich der 13-17-Jährigen konzipiert. Beide Apps verfügen über mehrere Funktionen, die störungsspezifisch auswählbar sind.

Ergebnisse: Die beiden Apps, ihre Einsatzmöglichkeiten und ihre Funktionen (Psychoedukations-Funktion, Momentary Assessment-Funktion, Video-Tagebuchfunktion, Erinnerungsfunktion, Problemlösetrainings-Funktion, Gestaltungs-Funktion, Bewältigungsskills-Funktion und  Verstärker-Funktion) werden vorgestellt

Diskussion und Schlussfolgerung: Möglichkeiten für den zukünftigen Einsatz von Smartphone Apps in der Therapie von Kindern und Jugendlichen sollen aufgezeigt werden.

Anja Görtz-Dorten

App-unterstützte Psychodiagnostik und -therapie: Erste Ergebnisse laufender Studien zu AUTHARK und JAY 

Fragestellung: Im Rahmen der Evaluation der Wirksamkeit der Smartphone-Apps AUTHARK und JAY, wird unter anderem spezifisch die Nutzung des Videotagebuchs für Therapieaufgaben zwischen den Therapiesitzungen evaluiert. Dabei werden verschiedene Aspekte der Umsetzung der Therapieaufgaben betrachtet. Darüber hinaus wird auch die psychometrische Qualität der Funktion des „Ecological Momentary Assessment (EMA)“ betrachtet werden.

Methodik: In einer explorativen Studie im Eigenkontrollgruppendesign wird die Wirksamkeit von App-unterstützter verhaltenstherapeutischer Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen mit internalen und externalen psychischen Störungen überprüft. Neben den üblichen verhaltenstherapeutischen Methoden wird im Rahmen der Behandlung die Smartphone-App AUTHARK für den Altersbereich der 8-12-Jährigen und die Smartphone-App JAY für den Altersbereich der 13-17-Jährigen eingesetzt.

Zusätzlich wird die Wirksamkeit und Anwendbarkeit von AUTHARK und JAY im Vergleich zu Paper-Pencil-Methoden innerhalb verhaltenstherapeutischer Intervention in zwei randomisierten Kontrollgruppendesigns überprüft. Die Patienten nutzen dabei auch das Videotagebuch. Pro Messzeitpunkt werden neben quantitativen Aspekten der Nutzung anhand eines Kodiersystems auch inhaltliche Faktoren beurteilt. Die aggregierten Daten werden über den Verlauf der Behandlung hinweg betrachtet. Psychometrische Analysen zur Reliabilität der EMA-Daten werden durchgeführt.

Ergebnisse: Bisherige Erfahrungen zur praktischen Anwendung sowie Nutzungszufriedenheit werden berichtet und erste Zwischenergebnisse der laufenden Studien zu verschiedenen Aspekten vorgestellt.

Diskussion und Schlussfolgerung: Erste Hinweise auf den zukünftigen Einsatz von AUTHARK und JAY in der Therapie von Kindern und Jugendlichen sollen aufgezeigt werden.

Leonie Hofmann

VR-unterstützte Psychodiagnostik und –therapie: VIT 4 KIDS- ein virtuelles Interaktionstraining für Kinder mit aggressivem Verhalten

Hintergrund:

Obwohl bereits gut evaluierte psychotherapeutische Interventionen für Kinder mit aggressiven Verhaltensproblemen existieren, profitieren nicht alle Kinder in hinreichendem Maße. Als Gründe dafür können unter anderem eine mangelnde Therapiemotivation sowie Schwierigkeiten beim Einbezug alltäglicher Probleme in Therapiesitzungen und bei der Übertragbarkeit von Therapieinhalten auf den Alltag angeführt werden. Erste Studien zeigen, dass mittels der Technologie der virtuellen Realität (VR) psychotherapeutische Interventionen und Diagnostik hilfreich unterstützt und genannte Probleme adressiert werden können. Im Rahmen der Projektgruppe VIT4Kids wurde aus diesem Grund ein virtuelles Interaktionstraining sowie ein virtueller Verhaltens- und Problemlösetest für 8-12-jährige Kinder entwickelt, welche in den kommenden Jahren evaluiert werden sollen.

Methodik:

In einem ersten Schritt soll mittels Pilotstudien ein proof-of-concept erfolgen. Für das virtuelle Interaktionstraining soll eine Einzelfallstudie mit n = 10 Jungen durchgeführt werden, die häufig mit Gleichaltrigen in Konflikte geraten. Für den virtuellen Interaktionstest ist eine klinische Stichprobe mit n = 30 Jungen vorgesehen. In einem zweiten Schritt sind Wirksamkeits- und Validierungsstudien mit größerem Stichprobenumfang geplant.

Ergebnisse:

Ergebnisse aus Probeläufen zum virtuellen Interaktionstraining und Verhaltens- und Problemlösetest sprechen für die Machbarkeit der geplanten Studien und liefern erste inhaltliche Erkenntnisse.

Simon Klos

Therapeutisches Online-Coaching bei Zwangs- und Tic-Störungen – Proof of concept  

Hintergrund: Psychotherapien kämpfen häufig mit Problemen der Umsetzung von therapeutischen Aufgaben im natürlichen Umfeld der Kinder und Jugendlichen, die oft wesentlich sind für eine Generalisierung von Therapieeffekten. Zudem sind die Verfügbarkeit und der Zugang zu expositionsbasierter kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) für Kinder und Jugendliche mit Zwangsstörungen sowie zu Habit Reversal Training (HRT) für Kinder und Jugendliche mit Tic-Störungen begrenzt oder es mangelt an adäquaten Versorgungsangeboten. Ziel der vorliegenden Studien war die Evaluation eines intensiven therapeutischen Online-Coachings, bestehend aus Expositionen mit Reaktionsmanagement bzw. HRT über Videokonferenz als Ergänzung zur ambulanten Psychotherapie (blended Psychotherapie).

Methodik: Die blended Psychotherapie wurde jeweils in einer Einzelfallstudie mit AB-Plan und einer Gesamtstichprobe von n = 5 Kindern und Jugendlichen mit Zwangsstörungen bzw. Tic-Störungen untersucht, dabei wurden verschiedene Beurteilungsperspektiven berücksichtigt.

Ergebnisse: Die Einzelfallstudien zeigen vielversprechende Ergebnisse, die auf einen Abbau der Zwangssymptome bzw. Tic-Symptomatik und Funktionsbeeinträchtigung durch die blended Psychotherapie hinweisen. Außerdem wurde eine hohe Zufriedenheit mit dem Online-Coaching berichtet.

Diskussion und Schlussfolgerungen: Neben wenigen grundsätzlichen Limitationen unterstützen die Ergebnisse die Effektivität und Umsetzbarkeit der blended Psychotherapie.

Julia Adam

Planung und Moderation:Rita Rosner
Datum:Samsatg, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:Hs 1b

Im ICD-10 findet sich neben einer Neuordnung der Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) eine weitere Traumafolgestörung: Die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS). Diese ist neben den klassischen PTB-Symptomen durch eine Störung der Selbstorganisation gekennzeichnet. Die Beiträge in diesem Symposium beleuchten anwendungsorientierte Befunde bezüglich der beiden Störungen im Rahmen von Diagnostik und Therapie. Im ersten Vortrag wird ein neu entwickeltes, lizenzfreies Diagnoseinstrument zur Erfassung beider Diagnosen vorgestellt und Anwendung und Auswertung erläutert. Der zweite Vortrag fokussiert darauf, dass es insbesondere in der Pubertät schwierig sein kann, Störungen der Selbstorgansation von „normalen“, aber belastentenden Veränderungen in der Pubertät zu differenzieren. Im letzten Vortrag wird detailliert gezeigt, dass expositionsbasierte Interventionen nicht zu einer vermehrten Belastung führen.

Referate

Titel: Trauma-Screening mithilfe des CATS-2 Fragebogens bei Kindern und Jugendlichen in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Grundversorgung

Im Rahmen von routinemäßigen Screeninings nach potentiell traumatischen Erlebnissen (PTE) und PTBS in klinischen Inanspruchnahmepopulationen geben etwa zwei Drittel der befragten Kinder und Jugendlichen an, mindestens ein PTE erlebt zu haben. Etwa 30% der Kinder geben sogar vier oder mehr traumatische Ereignisse an und etwa 20 % berichten von klinisch relevanten PTBS-Symptomen. Mit dem Child and Adolescent Trauma Screen 2 (CATS-2) steht ein frei verfügbares und in viele Sprachen übersetztes Instrument zur Erfassung von PTEs und PTBS-Symptomen zur Verfügung. Der Vortrag beschreibt die Entwicklung des Fragebogens, die psychometrischen Gütekriterien sowie Anwendung und Auswertung. Im Rahmen von Fallbeispielen soll der klinische Nutzen des Screenings und einer traumasensitiven Befundrückmeldung verdeutlicht werden. Anschließend sollen Anregungen über die klinische Anwendbarkeit gegeben und potentielle Risiken und Nutzen verdeutlicht werden.

Cedric Sachser; Elisa Pfeiffer

Titel: Befunde zur ICD-11 komplexen PTBS im Kindes- und Jugendalter

In der ICD-11 werden aktualisierte Kriterien für eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) enthalten sein, gleichzeitig wird die komplexe PTBS (kPTBS) mit zusätzlichen Schwierigkeiten in der Selbstorganisation (SSO) als neue Diagnose eingeführt. Dieser Beitrag gibt anhand erster Forschungsergebnisse Einblicke in die Auswirkungen dieser Neuerungen für die kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis: Die Häufigkeitsraten der PTBS-Diagnose werden gegenüber anderen Diagnosemanualen sinken (um bis zu 30%). Treten SSO-Symptome auf, so bewerten Bezugspersonen diese überwiegend als Folge der traumatischen Ereignisse, weniger als entwicklungsbedingte Schwierigkeiten. Etablierte evidenzbasierte Behandlungsmanuale wie die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (tf-kvt) können auch zur Behandlung der kPTBS eingesetzt werden (d = 2.16).

Rebekka Eilers

Titel: Kommt es bei jugendlichen PTBS-Patient:innen  während traumafokussierter Psychotherapie zu einer Zunahme von Problemverhalten?

Trotz wirksamer, evidenzbasierter Interventionen und den Empfehlungen der nationalen und internationalen Leitlinien zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sind einige Therapeut:innen besorgt, dass eine traumafokussierte Psychotherapie mit expositionsbasierten Elementen zu einer Verschlechterung von assoziierten dysfunktionalen Verhaltensweisen bei Jugendlichen führen könnte. Dieser Beitrag gibt daher einen Überblick über den Verlauf von Suizidgedanken, Selbstverletzungen, aggressivem Verhalten sowie Substanzkonsum in einer Gruppe von Patientent:innen mit misshandlungsbezogener PTBS auf Basis täglicher Messungen (n = 4044 Tagebuchkarten). Während der Therapie zeigten die Jugendlichen keine Zunahme an problematischen Verhaltensweisen, was die Bedeutung der Dissemination evidenzbasierter Behandlungsmanuale unterstreicht.

Anne Fischer; Rita Rosner; Babette Renneberg; Regina Steil

Planung und Moderation:Günter Ruggaber
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:L 115

Die Reform der Psychotherapieausbildung ist in der Welt, die Kammern haben die Weiterbildungsordnungen für die Qualifizierung zum/r Fachpsychotherapeut*in geschaffen. Jetzt gilt es, auf dieser Grundlage gute Bedingungen für die Qualifizierung zukünftiger Psychotherapeut*innen umzusetzen. In diesem Symposium sollen verschiedene Ansätze und Überlegungen, wie das gelingen kann, vorgestellt und dann mit den Symposiumsteilnehmer*innen diskutiert werden.

 

Referate

Titel: Weiterbildung aus einer Hand - das "Hildesheimer Modell" für Weiterbildungsinstitute

Anna zum Eschenhoff; Alexandra Rohe

 

Titel: Mein DGVT-Campus – die digitale Plattform als verbindendes Qualifizierungselement für zukünftige Fort- und Weiterbildung

Anja Dresenkamp; Philipp Victor

 

Titel: Wie kann gute Weiterbildung unter den neuen Bedingungen gelingen?

Andrea Benecke

 

Diskussionsrunde (30-45 Minuten) mit den Referent*innen und mit Andreas Veith (Leitung DGVT-Ausbildungszentrum Dortmund) und dem Symposiumspublikum.

Planung und Moderation:Jan Schürmann-Vengels
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:S 32/102

Gesellschaftliche Vielfalt (Diversität) ist allgegenwärtig und bietet zahlreiche Chancen. Die psychologische Forschung ist jedoch bis heute durch sehr homogene Stichproben geprägt. Damit bleiben viele gesellschaftliche Gruppen und Minoritäten unterrepräsentiert, trotz individueller Bedürfnisse und Risikofaktoren. Das Ziel dieses Symposiums ist es einen konzeptuellen Rahmen für das Diversitätsproblem der (Klinischen) Psychologie zu schaffen. Darüber hinaus werden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Empfehlungen für die Psychotherapie/Beratung mit vielfältigen Personengruppen dargestellt (u.a. Geflüchtete, Personen hohen Alters, Menschen mit Intelligenzminderung, LGBTQ+ Personen).

 

Referate

Einstiegsvortrag: Diversitätsprobleme in der psychologischen Forschung

Frank Jacobi

Titel: Verhaltenstherapie bei Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung: Eine Meta-Analyse

Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (IQ 20-69) leiden häufig unter psychopathologischen Symptomen und werden selten psychotherapeutisch behandelt. Gleichzeitig gibt es einen Mangel an Studien, die die Wirksamkeit der KVT für Erwachsene mit intellektueller Beeinträchtigung und komorbiden psychopathologischen Symptomen zusammenfassen. Es wurde eine Meta-Analyse mit Subgruppenanalysen durchgeführt. Kontrollierte Studien zeigten signifikante Effekte für die Bereiche Depression (d = 0,65; 8 Studien) und Wut (d = 0,65; 6 Studien) und einen kleinen und nicht signifikanten Effekt für Angst (d = 0,25). Die Qualität der eingeschlossenen Studien war mäßig, die Heterogenität war teilweise hoch.

Johannes Graser; Jonas Göken

Titel: Psychotherapie mit Geflüchteten – Das Unterstützungsprogramm Almamar 

Traumatisierte Geflüchtete stellen eine Bevölkerungsgruppe mit hohem Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung dar. Faktoren vor und während der Flucht sowie die besonderen Lebensumstände im Aufnahmeland stellen Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Störungen dar, insbesondere von Traumafolgestörungen. Almamar ist ein Unterstützungsprogramm für arabisch- und farsisprachige geflüchtete Menschen in Deutschland, das auf dem Common Elements Treatment Approach (CETA) basiert. Es werden erste Erfahrungen und Verlaufsdaten aus CETA-Behandlungen mit Geflüchteten in Deutschland vorgestellt. Anschließend wird der Prozess der kulturellen Adaptation des Behandlungsprogramms an konkreten Beispielen illustriert. Abschließend werden erste Behandlungserfahrungen mit Almamar nach der kulturellen Adaptation präsentiert.

Laura Nohr; Christina Wirz; Nadine Stamme; Maria Böttche

Titel: Psychotherapie im höheren Lebensalter: Versorgungssituation in der Routineversorgung am Beispiel der universitären psychotherapeutischen Ambulanzen

Das Ziel der vorliegenden Studie ist eine Bestandsaufnahme der Versorgungssituation von Patient*innen im höheren Lebensalter an deutschen Hochschul- und Ausbildungsambulanzen für Psychotherapie. Ausgewertet wurden Daten des KODAP-Forschungsnetzwerkes (Koordination der Datenerhebung und -auswertung an Forschungs- und Ausbildungsambulanzen für Psychotherapie) aus dem Zeitraum 2018 bis 2021. Von insgesamt N = 9.659 Patient*innen im Erwachsenenalter waren lediglich ca. 3,2% (N = 307) Patient*innen im Alter von 65+ Jahren und nur ca. 0,6% (N = 58) Patient*innen (75+ Jahren). Ausgehend von diesen Ergebnissen werden mögliche Selektionskriterien und Implikationen für die Praxis diskutiert.

Anne Katrin Risch; Marlena L. Itz; Gabriele Wilz

Titel: Psychische Gesundheit und Behandlungserfahrungen von deutschsprachigen LGBTQ+ Personen 

Die Abkürzung LGBTQ+ wird häufig genutzt um Menschen zu beschreiben, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihres körperlichen Geschlechts nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen. Dieser Beitrag berichtet aktuelle Ergebnisse einer großangelegten Längsschnittstudie zu Schutz- und Risikofaktoren psychischer Gesundheit dieser Personengruppen. Darüber hinaus werden die Prävalenz und der Einfluss non-affirmativer Erfahrungen in psychosozialen Unterstützungsangeboten analysiert. Letztlich werden praktische Empfehlungen für affirmative Psychotherapie mit LGBTQ+ Personen dargestellt.

Jan Schürmann-Vengels; Ulrike Willutzki; Jan Pirke

Planung und Moderation:Friederike Schwarzkopf
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 2

Für unbegleitete geflüchtete Jugendliche bedeutet der Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter oft einen Verlust von Garantien, einschließlich Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe, Aufenthaltsstatus und Unterkunft. Durch diese Lücken im Betreuungssystem sowie zusätzliche rechtliche Hürden werden junge geflüchtete Menschen für das Entwickeln von psychischen Erkrankungen besonders vulnerabel gemacht. Dieses Symposium wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum ÜBERLEBEN und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Deutschland organisiert. Es werden aktuelle Forschungsergebnisse in diesem Bereich, praxisbasierte Beratungserfahrungen aus der Abteilung für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen des Zentrum ÜBERLEBEN sowie Ergebnisse aus dem U-CARE-Projekt (Unaccompanied Children in Alternative Residence) vorgestellt und diskutiert. Zusammenfassend plädieren wir für mehr Flexibilität und einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz in den Betreuungssystemen. Nur so können gesunde Umgebungen entstehen, in denen junge Menschen in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

 

Referate

Titel: Barrieren beim Zugang zu psychischer Versorgung für junge geflüchtete Menschen

Junge geflüchtete Menschen, insbesondere unbegleitete Minderjährige, sind vor, während und nach der Migration zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt, die ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Viele haben traumatische Erfahrungen in der Heimat und auf der Flucht erlebt. Auch die psychosozialen Rahmenbedingungen in der postmigratorischen Situation haben einen entscheidenden Einfluss auf ihre weitere psychische Entwicklung. Trotz der differenzierten psychosozialen und psychiatrischen Versorgungsstruktur in Deutschland sehen sich junge asylsuchende Menschen mit verschiedenen strukturellen, institutionellen und kulturellen Barrieren konfrontiert, wenn es um den Zugang und die Nutzung von psychosozialen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Angeboten geht. Gerade in der Übergangsphase des Erwachsenwerdens kommt es deshalb häufig zu Anpassungsproblemen sowie einer Reaktualisierung früherer negativer Erfahrungen. Dieser Vortrag fokussiert sich auf die bestehenden Missstände und Herausforderungen im bestehenden Versorgungssystem, zeigt aber ebenso mögliche Lösungsansätze auf, wie etwa ein „Übergangsmanagement“, mit dem Ziel der bedarfsgerechten Begleitung durch das Hilfesystem.

Luciana Degano Kieser

Titel: Erfahrungen aus der Psychotherapeutischen Behandlung von unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen

Die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten kommt in der psychotherapeutischen Regelversorgung zu wenig an. Nicht nur die strukturellen Hürden sind vielfältig, auch die inhaltliche Arbeit mit oft mehrfach traumatisierten Heranwachsenden birgt große Herausforderungen für die psychotherapeutische Praxis. Ein mangelndes eigenes Verständnis psychischer Gesundheit, das oft gänzliche Fehlen von Bindungen, somatische Probleme und eine in den Grundfesten erschütterte Beziehungserfahrung stellen die ambulante Versorgung nicht selten auf die Probe. In die eigentlich durch Autonomiestreben geprägte Phase drängen sich existenzielle Fragen wie Aufenthalt, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie Wohnraum. Die therapeutische Entwicklung von Ressourcen, Bindungen und Zielen wird durch eine Vielzahl externer Faktoren beeinflusst. Ein flexibles Handeln und ein ganzheitlicher Blick sind unerlässlich. Dieser Beitrag soll einen Einblick in die intensive und spannende Arbeit mit jungen geflüchteten, traumatisierten Menschen geben und Mut machen, dieser marginalisierten Gruppe die ambulante psychotherapeutische Versorgung zu ermöglichen bzw. diese zu verbessern.

Martin Gött

Titel: U-CARE – Junge Geflüchtete als Care Leaver stärken

Ziel des EU-geförderten U-CARE-Projekts (Unaccompanied Children in Alternative Residence) bestand darin, alternative Betreuungsansätze für unbegleitete junge Geflüchtete zu entwickeln. Gerade für diese jungen Menschen ist der Übergang aus der Jugendhilfe in ein eigenständiges Leben mit zahlreichen Risiken und Belastungen verbunden. Gemeinsam mit den betroffenen jungen Menschen selbst, aber auch Fachkräften sowie Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, wurden Konzepte erarbeitet, die unbegleitete s.g. Care Leaver auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben stärken. Der Kurzvortrag bietet einen Einblick in die Lebensrealität, Sichtweisen und Forderungen der jungen Menschen und stellt ausgewählte Projektergebnisse vor. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei psychosozialen Faktoren, die einen entscheidenden Beitrag für gelingende Übergänge in die Eigenständigkeit leisten.

Jan Graf

Planung und Moderation:Nina Romanczuk-Seiferth
Datum:Sonntag, 19.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 1b

Auch wenn die Psychotherapieforschung bereits zahlreiche wirksame Therapieansätze hervorgebracht hat, so ist doch immer noch viel Raum dafür, Psychotherapien neu zu denken und alternative Versorgungsansätze zu entwickeln. Hilfreich kann es dafür sein, sich den bekannten Wirkmechanismen im psychotherapeutischen Prozess zuzuwenden und den Blick für sämtliche Methoden zu weiten, die uns die Unterstützung von Veränderung im Allgemeinen erlauben – auch in Zielgruppen, wo dies vielleicht bisher nicht immer und ausreichend gelingt. Menschen mit schweren und chronischen psychischen Erkrankungen, Kinder und Jugendliche sowie auch ältere Menschen zählen hier dazu. Inzwischen existieren verschiedene Ansätze, wie Tiere in Beratung und Therapie einbezogen werden können, um eine wohlbefindens- und gesundheitsförderliche Wirkung insbesondere auch bei anders schwer zugänglichen Zielgruppen zu entfalten. Auch finden sich immer mehr Untersuchungen zur wissenschaftlichen Evidenz tiergestützter Methoden. In diesem Symposium werden tiergestützte Interventionen im Lichte der psychotherapeutisch relevanten Veränderungsmechanismen betrachtet, verschiedene konkrete Ansätze in der Arbeit mit Tieren vorgestellt und Chancen wie auch Grenzen der tiergestützten Arbeit diskutiert.

 

Referate

Titel: Wirkmechanismen in der therapeutischen Selbsterfahrung: Pferdegestützte Interventionen adressieren Erlebnis- und Handlungsorientierung sowie Beziehungs- und Interaktionserleben

Wie wirkt eigentlich therapeutische Selbsterfahrung? Diese Frage ist besonders im Zuge der Novellierung der Qualifikationswege von Psychotherapeut:innen von Bedeutung. Aufgrund unzureichender Evidenz auf diesem Gebiet werden zentrale Wirkmechanismen in Anlehnung an die bisherige Psychotherapieforschung diskutiert. Im Zentrum steht die Verbindung zu pferdegestützten Interventionen: diese scheinen eine besonders geeignete Methode darzustellen, um Wirkfaktoren wie Erlebnis- und Handlungsorientierung und Beziehungs- und Interaktionserleben umzusetzen.

Carina Veidt

Titel: Hundegestützte Interventionen in der psychiatrischen Versorgung nach dem Weddinger Modell – Wissen, Einstellung und Erfahrungen professioneller Helfer*innen

In der Fachliteratur wird oft beschrieben, dass tiergestützte Interventionen (TGI) am besten gelingen, wenn sie von allen beteiligten Akteur:innen des professionellen Hilfesettings (z.B. in einer psychiatrischen Klinik allen Mitarbeiter:innen des Behandlungsteams, der Stations-, Abteilungs- und Klinikleitung) akzeptiert, im Idealfall unterstützt bzw. "mitgetragen" werden. In der Forschung fehlen bislang allerdings weitgehend Daten zur Akzeptanz und Einstellung gegenüber tiergestützten Interventionen von verschiedenen Professionellen und zur Frage, wie diese als Wirkfaktor das Gelingen der TGI beeinflussen. Im Vortrag werden hierzu einzelne zentrale Ergebnisse eines Praxisforschungsprojektes (Kooperationsprojekt der ASH Berlin und der Kliniken im Theodor-Wenzel-Werk, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie) vorgestellt, in dem die Integration einer TGI in ein innovatives psychiatrisches Behandlungsmodell (Weddinger Modell) hinsichtlich von Wirkungen, Gelingensbedingungen und Barrieren untersucht wurde. Kernelement des Weddinger Modells ist die Förderung einer individualisierten Behandlung von Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen, ausgerichtet an den Zielen und Erwartungen der Adressat:innen. Das Modell basiert auf einer multiprofessionellen, trialogisch orientierten Zusammenarbeit und sieht eine Integration verschiedener therapeutischer Elemente vor, wozu in den Kliniken des TWW eine spezifische hundegestützte Intervention gehört. Im Forschungsprojekt wurden u.a. verschiedene Mitarbeiter:innen der Klinik (Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Psycholog:innen, Ärzt:innen etc.) zu ihren Einstellungen und bisherigen Erfahrungen mit TGI allgemein sowie der konkreten hundegestützten Intervention befragt (mithilfe eines standardisierten Fragebogens, Berget et al. 2013, und problemzentrierter Expert:inneninterviews).

Anna Oster; Sandra Wesenberg

Titel: Theracaty - mit Samtpfoten mehr erreichen

Jeder kennt den Spruch: „Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal.“ Während der beste Freund des Menschen stets bemüht scheint, Kommandos zu erlernen und den Anforderungen des Menschen gerecht zu werden, würde man bei Katzen im Allgemeinen nicht daran denken, dass sie sich nach ihren Besitzern richten und deren Erwartungen für ein Leckerli erfüllen. Dies scheint auch mit ein Grund zu sein, warum Katzen im Rahmen von tiergestützten Aktivitäten und Therapien bis jetzt wenig Beachtung erhalten haben. Welche Möglichkeiten die Arbeit mit Katzen bieten kann, welche Befunde hierzu existieren und welche Wirkmechanismen bei katzengestützten Interventionen eine Rolle spielen mögen, sollen im Vortrag zusammenfassend aufgezeigt und diskutiert werden.

Stefanie Schwitzer

Planung und Moderation:Thea Rau; Marc Allrogen; Kerstin Sischka
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:
J32/102

Bislang ist wenig bekannt, wie häufig Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen sich mit extremistischen Einstellungen von Patient:innen im Rahmen einer Behandlung/Therapie konfrontiert sehen oder von Angehörigen von Personen aus dem extremistischen Milieu erfahren. Im Symposium sollen Daten aus einer deutschlandweiten anonymen Online-Befragung bei Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen vorgestellt werden, die über Erfahrungen mit extremistischen Einstellungen von Patient:innen berichten. Dabei gehen die Referent:innen auf typische Fallkonstellationen ein, die mit den Teilnehmenden des Symposiums diskutiert werden sollen. Ein Schwerpunkt im Symposium bildet dabei der Umgang mit Situationen der Selbst- und Fremdgefährdung im Rahmen der Therapie/ Behandlung. Die empirische Datenlage als Ausgangspunkt für die Diskussion wird durch einen Kurzvortrag über praktische Erfahrungen aus der Therapie mit radikalisierten Personen anhand einer Fallvignette ergänzt.

 

Referate

Titel: Psychische Störungen bei Personen mit extremistischer Einstellung und Behandlungsbedarfe

Zunehmend gewinnen psychische Störungen in Zusammenhang mit Radikalisierungsprozessen und extremistischen Gewalttaten an Bedeutung. Insbesondere Fachkräfte aus der sogenannten Ausstiegs- und Deradikalisierungsarbeit berichten von praktischen Erfahrungen mit Klient:innen mit psychischen Störungen, die den Deradikalisierungsprozess häufig erschweren und Einfluss nehmen auf die Beratung. In diesem Vortrag wird der Forschungsstand hinsichtlich psychischer Störungen im Zusammenhang mit Radikalisierungsprozessen dargestellt und über Belastungen im Rahmen einer Distanzierung und Deradikalisierung berichtet. Möglichkeiten und Grenzen psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung von Personen mit extremistischer Einstellung werden abgeleitet und es wird auf Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachkräften im Bereich der Extremismusprävention und Distanzierungsarbeit hingewiesen.

Marc Allroggen

Titel: Selbst- und Fremdgefährdung in der Krankenbehandlung bei Patient*innen mit extremistischer Einstellung

Im Rahmen einer anonymen Online-Befragung von März 2022 bis Juli 2022 bei Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen wurden Fragen zu Behandlungserfahrungen mit Patient:innen mit extre-mistischer Einstellung und Angehörigen gestellt. Von 364 Teilnehmenden (75,6% weiblich) liegen verwertbare Fragebögen vor. 210 (57,7%) gaben an, schon einmal Patient:innen mit extremistischer Einstellung behandelt bzw. therapiert zu haben, 170 (46,7%) Teilnehmende behandelten schon einmal Angehörige. 58 (27,6%) Teilnehmende, die Angaben zu Patient:innen/Angehörigen machten, gaben an, mit Selbstgefährdungssituationen bei Behandlung von Patient:innen mit extremistischer Einstellung konfrontiert gewesen zu sein und 51 (30,1%) mit solchen Situationen im Kontakt mit ihren Angehörigen, z.B. in Form von Suizidgedanken. 104 (49,5%) Teilnehmende gaben an, mit Situationen der Fremdgefährdung bei der Behandlung von Patient:innen konfrontiert gewesen zu sein, z.B. durch Äußerungen von Tatplänen oder durch direkte Gewaltanwendungen, 31 (18,3%) berichteten solche Situationen im Zusammenhang mit der Behandlung von Angehörigen. 254 Teilnehmende machten detaillierte Informationen zu den Gefährdungslagen. 50 (19,7%) gaben an, in den Fällen einer Selbst- und/oder Fremdgefährdung die Sicherheitsbehörden, wie beispielsweise die Polizei, kontaktiert zu haben, unabhängig, ob bei Patient:innen mit extremistischer Einstellung oder bei Angehörigen.
Im Beitrag werden die Daten aus der Online-Studie vorgestellt und über die Wahrnehmung der Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden berichtet. Aus der Untersuchung lassen sich Implikationen für die Praxis ableiten, die mit den Teilnehmenden des Symposiums diskutiert werden sollen.

Thea Rau

Titel: Apokalyptische Seelenzustände und ihre Vergemeinschaftung: Neue Herausforderungen für die Ausstiegs- und Deradikalisierungsarbeit

Wir leben in Zeiten tiefgreifender Veränderungen. Überall auf der Welt spitzen sich soziale und wirtschaftliche Krisen zu. Die Corona-Pandemie und der deutlich spürbare Klimawandel und nicht zuletzt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verschärfen die Krisen und bringen neues Leid hervor. Die damit verbundenen großen Zukunftsfragen finden auch in der Psyche der Menschen ihren Widerhall – global, aber sehr konkret auch in unserer Gesellschaft. Immer häufiger sind auch geradezu apokalyptische Stimmungslagen zu vernehmen, die das Szenario eines »Systemzusammenbruchs« zeichnen. Extremist:innen sind bestrebt, Ängste und Bedrohungsgefühle in destruktiver Weise aufzunehmen. Es ist eine Zeit der Verschwörungsnarrative angebrochen, in denen sich geradezu eine Sehnsucht nach dem Untergang in Verbindung mit hasserfüllten und omnipotenten Vorstellungen artikuliert: »Das verhasste System« – die Demokratie – müsse zum Zusammenbruch gebracht werden, damit »aus der Asche des Alten etwas Neues« entstehen kann. Solche palingenetischen Vorstellungen, von denen auch der Faschismusforscher Roger Griffin (1991) schrieb, sind historisch nicht neu, aber gewinnen neue Kraft. Im Vortrag soll aus einer sozialpsychologisch-psychoanalytischen Perspektive ein Blick auf apokalyptische Seelenzustände geworfen werden und der Frage nachgegangen werden, wie diese in verschwörungsgläubige (extremistische) Gemeinschaften einfließen. An zwei kurzen Fallvignetten sollen Herausforderungen geschildert werden, die sich für die psychosoziale und psychotherapeutische Arbeit im Umgang mit in ideologische Radikalisierung verstrickten Menschen stellen.

Kerstin Sischka

Planung und Moderation:Leonie Teigler; Carina Heyde
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:Hs 1a

Geflüchtete Menschen und Überlebende menschengemachter Gewalt erleben die schwerste Form vom Traumatisierung und Exklusion. Um sich von Menschenrechtsverletzungen und gewaltvollen Verhältnissen erholen zu können, bedarf es des Zugangs zu einer multiprofessionellen Unterstützung. Die psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Folter und Genozid bieten seit einigen Jahrzehnten spezialisierte Angebote der Psychotherapie, sozialen Arbeit und rechtlichen Beratung an, sind jedoch auf die Kooperation und den Austausch mit der Regelversorgung angewiesen. Das Symposium möchte mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis und Daten aus der Versorgungsforschung Anregungen für die Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Zentren und niedergelassenen Therapeut*innen schaffen.

 

Referate

Titel: Das psychosoziale Versorgungsmodell der PSZ

Die BAfF und ihre Mitgliedszentren (PSZ) setzen sich seit mehreren Jahrzehnten dafür ein, dass Menschen, die durch Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen Schaden erlitten haben, eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung „unter einem Dach“ erhalten, mit dem Ziel der Verbesserung der gesundheitlichen, sozialen und individuellen Lebenssituation und der Wiederherstellung und Sicherstellung der Würde der Überlebenden. Der menschenrechtsorientierte Ansatz, der eine bedarfsgerechte und kontextspezifische Versorgungskontinuität für die Klient*innen gewährleistet, stellt eine Kernkompetenz und Alleinstellungsmerkmal der Zentren dar. Der Vortrag bietet einen Überblick über den menschenrechtsorientierten, interdisziplinären Ansatz der PSZ, das qualifizierte Arbeiten in der Triade mit Dolmetschenden und die Herausforderungen an Behandelnde und Sprachmittelnde in Beratung und Therapie.

Katja Mériau

Titel: Psychosoziale Unterstützung für Überlebende von Genozid

Individuelle und gesellschaftliche Aspekte müssen in der Arbeit mit Überlebenden von “man-made disasters” zusammengedacht werden. Wie können durch ein gesellschaftspolitisches und multiprofessionelles Verständnis der Folgen schwerer kollektiver Gewalt Handlungsmöglichkeiten gefunden werden, ohne in starre Konzepte wie kollektives oder soziales Trauma zu verfallen? Ein Ansatzpunkt bieten hier Erkenntnisse aus der Arbeit mit Überlebenden von Genoziden. Ausgehend von der Holocaust-Forschung wird die Arbeit von AMCHA in der psychosozialen Versorgung von Shoah-Überlebenden und ihren Familien skizziert und die Frage aufgeworfen, welche Parallelen zur therapeutischen und psychosozialen Arbeit in anderen Kontexten von Genozid, Verfolgung und massiven Menschenrechtsverletzungen gezogen werden können.

Larissa Kunze; Adina Dymczyk

Titel: Bridging the Gap: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der psychosozialen Versorgung traumatisierter Geflüchteter

In der psychosozialen Versorgung Geflüchteter bestehen für besonders schutzbedürftige Gruppen – z.B. Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden - erhebliche Probleme bezüglich des Zugangs und der Qualität der Angebote. Versorgungslücken, sowie mögliche Ansätze zur strukturellen und qualitativen Verbesserung bestehender Angebote im Arbeitsfeld werden anhand qualitativer Forschungsergebnisse zu den Erfahrungen und Bedarfen LSBTI*-Geflüchteter und Mitarbeitender des Versorgungssystems diskutiert. Dabei greifen die Referent*innen auf qualitative Interviews sowie auf Praxiserfahrung in der Beratung und Therapie LSBTI*-Geflüchteter sowie des Dachverbands der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer zurück.

Leonie Teigler; Alva Träbert

Titel: Folterüberlebende in unserer psychotherapeutischen Behandlung

Folter gehört zu den "man-made-disasters", die gravierende Folgen für die Psyche einer Person haben können. Haben wir als Psychotherapeut*innen nicht auch die heilberufliche Pflicht, Folterüberlebende in unserem gesundheitlichen Regelsystem adäquat zu behandeln? Wie können wir Foltererlebnisse in der Psychotherapie besprechbar machen und sie diagnostizieren und dokumentieren? Wie kann eine Behandlung und Rehabilitation solch schwerwiegender "man-made-disasters" gelingen? Und wie gehen wir mit den eigenen Belastungen um, welche in der Arbeit mit Überlebenden schwerer menschengemachter Gewalt entstehen können? Anhand von Fallbeispielen stellen wir aus unserer Arbeit der Diagnostik und (Psycho-)Therapie mit Überlebenden von Folter, auch mit unsicherem Aufenthaltsstatus, vor und öffnen den Raum für gemeinsame Reflektion zum Thema.

Carina Heyde; Asita Shirali Dikloo

Planung und Moderation:Mari Günter; Kirsten Teren; Tilly Tracy Reinhardt; Gisela Fux Wolf
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum:Hs 1b

Die Trans*gesundheitsversorgung ist ein aktuell sich rasant entwickelndes therapeutisches Arbeitsfeld. Um diese herum ranken sich gesellschaftliche Diskurse und Ausgrenzungsstrategien, die Einfluss auf die Arbeit und Haltung nehmen und damit ein kontextkompetentes psychotherapeutisches Arbeiten notwendig machen. Gleichermaßen ist die vertiefte Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Vielfalt befruchtend für die gesamte Psychotherapielandschaft. Im Symposium stellen wir ausgewählte aktuelle Themenfelder der Trans*gesundheitsversorgung vor und laden zur kritischen Reflektion und Diskussion ein. Wir wollen Lust auf die vielfältigen Möglichkeiten diversitysensiblen Arbeitens machen. Zur inhaltlichen Vertiefung und für einen praktischen Einstieg bieten wir einen zweiteiligen Workshop an.

 

Referate

Titel: Medizingeschichtliche Hintergründe und deren Auswirkungen auf die strukturelle Diskriminierung in der Psychotherapie heute - Forderungen für die Ausbildung in der Psychotherapie

Aufgrund der damaligen Moralvorstellungen wurden trans*geschlechtliches Erleben und geschlechtliche Vielfalt in verschiedene hochpathologische Diagnosen gefasst. Dies führte zu einer systematischen Diskriminierung und Pathologisierung von trans* Personen im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft. Sogenannte Behandlungsversuche waren aufgrund ihres konversionstherapeutischen Ansatzes schädlich und führten in aller Regel zu einer Vermeidung der Inanspruchnahme von Psychotherapie, obwohl vor dem Hintergrund der Auswirkungen von Diskriminierung ein großer Behandlungsbedarf bestand. Im Zusammenhang mit dem Paradigmenwechsel, der Entpsychopathologisierung und Anerkennung der Selbstbestimmung sind auch Psychotherapeut*innen gefordert, ihre Angebote entsprechend der Gesundheitsbedarfe von trans* und nicht-binären Personen zu gestalten. Im Vortrag werden einerseits Anregungen für die praktische Tätigkeit gegeben, andererseits Forderungen für eine gender- und diversitysensible Ausbildung abgeleitet.

Kirsten Teren

Titel: Diskriminierung in der Lebensspanne - Auswirkung von Diskriminierung auf Lebensläufe

Es ist mittlerweile fast unumstritten und durch viele Studien belegt, dass Diskriminierung Auswirkungen auf Gesundheit und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat. Im Kontext der Antidiskriminierungsberatung erleben wir bei mehrfachdiskriminierten und trans*, inter* und nicht-binären Personen hier spezifische Auswirkungen auf die gesamte Lebensspanne. Gleichzeitig führen diskriminierende Strukturen und heteronormative Vorstellungen dazu, dass bestimmte Narrative entstehen, wie eine trans* Biographie auszusehen habe, was inter* oder nicht-binär sei. Anhand von fiktiven Lebensläufen und mit Hilfe der Antidiskriminierungsberatung sollen in dem Vortrag aufgezeigt werden, wie Krisen, Narrative und Wirkungsweisen von Diskriminierung über die Lebensspannen von trans*, inter* und nicht-binären Personen wirken können.

Tilly Tracy Reinhardt

Titel: Aktueller Stand und Entwicklung in der Trans* Gesundheitsversorgung

Der Forschungsstand bezogen auf eine trans*respektvolle Gesundheitsversorgung entwickelt sich derzeitig rasch weiter. Motor der Entwicklung ist insbesondere die Mitwirkung und Autor*innenschaft von queeren Forscher*innen, die durch die Perspektiverweiterung auf die konkreten Auswirkungen von Forschung und Gesundheitspraxen das Themenfeld unterdessen maßgeblich prägen. Als Psychotherapeut*innen in der Versorgung sind wir hier in der glücklichen und auch herausfordernden Position des lebenslangen Lernens, was in der Gesundheitsversorgung marginalisierter Personen auch ein Umlernen und Verabschieden letztlich nicht hilfreichen Wissens und ein Entlarven diskriminierender Wissensinhalte umfasst. In dem Beitrag werden die aktuellen Standards of Care der World Professional Association in der achten Version diskutiert, die aktuellen Leitlinien der APA zur konkreten psychotherapeutischen Arbeit mit trans*, genderqueeren und nichtbinären Personen sowie mit dem Multicultural frame der APA ein Grundlagenmodell zum machtkritischen und kontextsensiblen Arbeiten vorgestellt. Diese Konzepte ermöglichen uns fachlich basierten Ansatz zur Haltungsreflexion in der psychotherapeutischen Arbeit mit minorisierten Gruppen, die letztlich zu einer gesellschaftlich emanzipatorisch ausgerichteten Position unserer Profession hinweist. Konkrete Anwendungsbeispiele werden gegeben.

Gisela Fux Wolf

Titel: Folgen der Entpsychopathologisierung im Rahmen der ICD-11 und Konsequenzen für die Versorgungssituation

Für die Erstellung der ICD-11 hat die WHO entschieden, das trans*geschlechtliche Erleben nicht mehr in ein Kapitel der psychischen Erkrankungen einzuordnen. Damit ist die Geschlechtsinkongruenz bei Heranwachsenden und Erwachsenen zwar weiterhin in vielen Fällen ein versorgungswürdiger Gesundheitszustand, wird aber eben nicht mehr als psychische Erkrankung betrachtet. Dieser Paradigmenwechsel hat große Auswirkungen auf trans* Personen, insbesondere Minderjährige, hinsichtlich ihrer Selbstbestimmung bei der Einwilligung in medizinische Behandlungen. Auch die angemessene und passgenaue Formulierung von Behandlungsbedarfen wird damit gefördert. Da eine Entpsychopathologisierung genauso wie die bisherige Pathologisierung nicht nur eine Haltungsfrage, sondern auch ein alltägliches Handeln ist, ergeben sich für die Versorgungspraxis Aufgaben und Impulse, die im zweiten Teil des Vortrags beleuchtet werden sollen. Und natürlich stellt sich für die Zukunft die Frage, ob und in welcher Form die psycho-medizinischen Fachgewerke für dieses Themenfeld zuständig bleiben werden, da keine entsprechende Diagnose mehr vorliegt …?

Mari Günther

Planung und Moderation:Ute Sonntag; Yasmin Uyar; Irmgard Vogt
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 2

Ein Hintergrund für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Substanzkonsumproblemen kann erlittene Gewalt sein. Da häusliche Gewalt vergleichsweise häufig vorkommt, ist es für die Beratung und die Psychotherapie von hoher Relevanz. Das Symposium gibt einen Überblick über Daten und Fakten zu häuslicher Gewalt und thematisiert Möglichkeiten des Umgangs damit in Therapie und Beratung, sowohl wenn die Gewalt akut anhält, als auch wenn sie schon länger zurückliegt. Zudem wird die digitale Gewalt angesprochen, die ein immer größer werdendes Problem darstellt.

 

Referate

Titel: Häusliche Gewalt - Definitionen, Daten und komplexe Interdependenzen

Die WHO weist in einer Reihe von Veröffentlichungen darauf hin, dass Mädchen und Frauen viel häufiger als Jungen und Männer Opfer von Gewalt in engen persönlichen Beziehungen sind. Dieser Beitrag belegt das mit einigen Zahlen und Fakten, ebenso die komplexen Zusammenhänge mit psychischen Störungen als Vorläufer und Folgen von Gewalt – sowohl bei den Opfern wie bei den Tätern (und Täterinnen). Strukturell tragen Ideologien der Geschlechterungleichheit dazu bei, Gewalt gegen Mädchen und Frauen zu legitimieren und ihnen den Zugang zu materiellen Ressourcen zu erschweren. Das behindert Bemühungen auf struktureller und personaler Ebene zur Beendigung von Gewalt in Partnerschaften.

Irmgard Vogt

Titel: Besonderheiten in der Psychotherapie mit gewaltbetroffenen Frauen

Im Referat "Besonderheiten in der Psychotherapie mit gewaltbetroffenen Frauen" wird praxisorientiert dargestellt, wie nach Gewalterfahrungen im Lebensverlauf inkl. aktueller Gewaltbetroffenheit gefragt werden kann und wie Aspekte von Schutz und Sicherheit für Betroffene im Rahmen einer Psychotherapie berücksichtigt werden können. Zudem werden Besonderheiten in der Beziehungsgestaltung bei einem gewalt- und geschlechtssensiblen Vorgehen behandelt.

Silke Schwarz

Titel: Häusliche Gewalt verarbeiten: zurück zu sich, zurück ins Leben

Verschiedene psychotherapeutische Ansatzpunkte können helfen, die Folgen häuslicher Gewalt zu verarbeiten. Es soll verdeutlicht werden, wann symptomspezifische Interventionen angeraten sind. Vor allem aber werden relevante Themen expliziert, die es zumeist in der Psychotherapie aufzugreifen gilt. Besondere Schwerpunkte werden dabei gelegt auf den therapeutischen Umgang mit ambivalenten Gefühlen zu den Gewalttäter:innen (und Ex-Partner:innen), die Bearbeitung von Schuldgefühlen, die Stärkung des Selbst-Bezugs und der Selbstwirksamkeit sowie schließlich die Neuorientierung.

Sandra Münstermann

Planung und Moderation:Leonie Trimpop; Laura Bielinksi
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum: J32/102

Störungsspezifische Interventionen sind sowohl im face-to-face als auch digitalen Setting die häufigste Perspektive, während es an transdiagnostischen Interventionen mangelt. Vorgestellt werden daher störungsübergreifende digitale Interventionen und Möglichkeiten der ökonomischen Implementierung in die Routine Praxis.

Referate:

Titel: Therapie Online Plus (TOP+) - Evaluation von zwei transdiagnostischen Online Interventionen ("Res-Up!" & "REMOTION") in der ambulanten Routinepraxis

Ist es besser auf die vorhandenen Stärken einer Person aufzubauen (Capitalization, CAP) oder die Schwächen zu kompensieren (Compensation, COMP)?

Mit der Frage nach den Vor- und Nachteilen dieser beiden Strategien beschäftigt sich die Psychotherapieforschung bereits seit längerer Zeit. Res-Up! (CAP) und REMOTION (COMP) sind zwei transdiagnostische Internetprogramme zur Resilienzförderung (Res-Up!) und Emotionsregulation (REMOTION), welche im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie mit einer Care-As-Usual Gruppe verglichen werden.

Mit der Beantwortung dieser Frage und der Diskussion darum, ob und wie die generelle Versorgung mithilfe von transdiagnostischen Programmen unterstützt werden kann, möchten wir uns in diesem Beitrag beschäftigen.

Laura Bielinski; Leonie Trimpop

Titel: Who blends in and Why (not)? Eine Interviewstudie zum Patient:inneneinschluss in einer transdiagnostischen und verfahrensübergreifenden Blended Care Intervention

Wer profitiert von digitalen Interventionen in der Psychotherapie? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir verstehen, wer überhaupt Zugang zu diesen bekommt. Lange Zeit konzentrierten sich digitale Interventionen auf verhaltenstherapeutische Angebote für einzelne Störungsgruppen wie Depression oder Angst. Wir untersuchen aktuell in einem RCT TONI (Transdiagnostische Online Intervention) - eine modulare, transdiagnostische und verfahrensunabhängige Blended Care Intervention. Wir haben tiefenpsychologische und verhaltenstherapeutische Psychotherapeut:innen dazu interviewt, welche Patient:innen sie aus welchen Gründen zur Teilnahme an TONI einladen - oder auch nicht. Durch das Ergründen dahinterliegender Entscheidungsprozesse hoffen wir, mehr darüber zu erfahren: "Who blends in and why?”

Titel: Acute REMOTION: Untersuchung eines transdiagnostischen E-Mental Health Programms im akut stationären Setting

In einer randomisierten kontrollierten Pilotstudie untersuchen wir das internetbasierte Programm REMOTION in einer akutpsychiatrischen Einrichtung. REMOTION wurde mit dem Ziel entwickelt, die Emotionsregulation zu verbessern und den Schweregrad von Symptomen zu verringern. Dies ist das erste Mal, dass REMOTION bei stationären Patient*innen untersucht wird. In der Studie wird untersucht, wie die internetbasierte Intervention REMOTION eingesetzt wird, wie zufrieden die Patient*innen mit der Intervention sind und ob REMOTION potenziell wirksam ist.

In diesem Beitrag werden vorläufige Ergebnisse der Studie sowie Informationen zum aktuellen Stand vorgestellt und diskutiert.

Gwendolyn Wälchli

Titel: Online-Therapie: Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Therapiewirksamkeit und therapierelevanten Faktoren

Die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie wirkten als Katalysator für den Einsatz von Online Video-Diensten in der Psychotherapie. Viele Therapeut:innen und Patient:innen in Deutschland und weltweit mussten sich in kurzer Zeit und unter wechselnden Bedingungen an dieses neue Medium gewöhnen. Fragen, die sich aus dem Einsatz der Technologie ergeben, wurden deshalb in den letzten Jahren mit neuer Dringlichkeit und in neuem Umfang erforscht. Der Vortrag gibt einen Überblick über bisherige Forschungsergebnisse zu Online-Therapie mit Fokus auf die letzten zwei Jahre seit Beginn der Pandemie. Genauer betrachtet werden relevante Wirkfaktoren der Psychotherapie. Die Forschung der letzten Jahre ist vielversprechend, allerdings nach wie vor dünn und methodisch divers. Auch die Wirkung der neuen Arbeitsweise auf die Therapeut:innen selbst wird selten mit betrachtet. Diese Punkte geben Anlass zu weiteren Fragen an die Forschung.

Maren Hein

Planung und Moderation:Anne Trösken; Ulrike Willutzki
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr
Raum:Hs 1b

Strategien der Positiven Psychologie und Ressourcenorientierung bilden einen Grundpfeiler der Wirksamkeit von Psychotherapie und insbesondere auch der kognitiven Verhaltenstherapie. Die empirische Erforschung ihrer Wirksamkeit und Bedeutung für den Therapieerfolg sind in Relation hierzu noch unterrepräsentiert. In den 5 Beiträgen des Symposiums werden aktuelle Forschungsprojekte und deren Befunde zu diesen Fragestellungen vorgestellt:
•    Gerade für die Behandlung chronisch-depressiver Patient:innen werden ressourcenorientierte Therapieansätze entwickelt; die Arbeitsgruppe um Stangier & Hofmann stellen Ergebnisse eines RCTs für Metta-basierte Therapie vor.
•    Eine ressourcenorientierte Gruppentherapie für diese Patient:innengruppe wurde von Trösken & Renneberg entwickelt; hier werden Ergebnisse für Prozessmerkmale der Therapie und Hinweise auf Merkmale für Response vorgestellt.
•    Ein transdiagnostisches Online-Programm zur Förderung von Resilenzfaktoren – ResUp! – präsentieren Willutzki & Trimpop.
•    Dass die von Patient*innen subjektiv wahrgenommenen Ressourcen Therapieoutcome vorhersagen können, zeigt eine Studie der Wittener und Bochumer Arbeitsgruppen mit Schürmann-Vengel, Teismann, Margraf & Willutzki.
•    Auf Grundlage einer internationalen Zusammenarbeit stellen Flückiger, Munder, Del Re & Solomonov die Ergebnisse eines umfassenden, systematischen Reviews zur Wirksamkeit positiver Strategien im klinischen Kontext vor.

Referate

Titel: Metta-basierte Therapie bei chronischer Depression: eine randomisiert-kontrollierte Studie

Chronische Depressionen sind eine weit verbreitete und behindernde psychische Störung. Bisherige Behandlungen konzentrierten sich in erster Linie auf die Verringerung zwischenmenschlicher Probleme und negativer Affekte, schenkten aber der Förderung prosozialer Motivation und positiver Affekte wenig Beachtung. In dieser Studie wurde die Wirksamkeit eines Behandlungsansatzes überprüft, der Metta-Meditation im Gruppensetting und individualisierte kognitive Verhaltenstherapie mit Fokus auf die Förderung von Wohlwollen miteinander verbindet. 48 Patient:innen mit anhaltenden depressiven Störungen wurden randomisiert einer Kombination aus individueller kognitiver Verhaltenstherapie und Metta-Meditation oder einer Kontrollbedingung mit Warteliste zugewiesen. Mixed-Design-Analysen zeigten signifikante Veränderungen bei der Nachuntersuchung in Bezug auf die vom Kliniker und von sich selbst eingeschätzte Depression, Verhaltensaktivierung, Grübeln, soziales Funktionieren, Achtsamkeit und Emotionsregulation, jedoch nicht in Bezug auf Mitgefühl. Die Verbesserungen blieben bei der 6-monatigen Nachuntersuchung erhalten. Die gleichzeitige Einnahme von Antidepressiva war mit einem weniger günstigen Ergebnis verbunden. Die Ergebnisse unterstützen die Wirksamkeit mettabasierter Therapie bei chronischer Depression, die Gruppenmeditation mit individueller Behandlung kombiniert.

Ulrich Stangier

Titel: Prozessmerkmale einer ressourcenorientierten KVT-Gruppentherapie für chronisch-depressive Patient:innen (RES-KVT) 

Die Erforschung von Wirkfaktoren von Gruppentherapien unterliegt im Vergleich zur Einzeltherapie aufgrund der Komplexität des Settings größeren Herausforderungen und ist ein unterrepräsentiertes Feld. Neben allgemeinen Wirkfaktoren (z.B. Gruppenkohäsion) fokussieren wir die Verarbeitung der konkreten Sitzungsinhalte einer ressourcenorientierten KVT-Gruppentherapie für chronisch depressive Patient:innen. Bei N=50 Patient:innen mit chronischer Depression wurden im Verlauf einer ressourcenorientierten  Gruppentherapie (Umfang 12 Sitzungen) evidenzbasierte Prozessmerkmale über den Therapieverlauf hinweg erhoben. Zwei Prozessmerkmale prädizierten die Ressourcenrealisierung am Ende der Gruppentherapie. Insbesondere Ressourcenmerkmale können Hinweisgeber für die Erfolgsaussichten der RES-KVT für chronisch depressive Patient:innen sein, bereits in frühen Therapiephase zeigen sich Unterschiede. Hieraus können sich Hinweise für die Verbesserung der Wirksamkeit und der Indikationsstellung der Gruppentherapie ergeben.

Anne Troesken; Babette Renneberg

Titel: ResUp! - Resilienzförderung als Online-Selbsthilfe-Programm mit dem Persönlichen Resilienzmodell von Padesky & Mooney

Internetbasierte Therapie- und Beratungsprogramme haben sich als wichtige Ergänzung von Psychotherapien verschiedenster Störungen herausgestellt. Über verschiedenste Störungsbilder hinweg können Online-Interventionen so Menschen in ihrem Heilungsprozess erfolgreich unterstützen. Auch bei der Förderung von Resilienz und dem Aufbau von Ressourcen kann die digitale Unterstützung durch internetbasierte Programme ein wichtiger und einflussreicher Faktor in der Behandlung von psychischen Störungen sein. Im begleiteten, transdiagnostischen Online-Programms Res-Up! erarbeiten Teilnehmende ihr eigenes Resilienzrepertoire und lernen mit dessen Hilfe hinderliche Situationen zu überwinden. Evaluationsergebnisse der Intervention Res-Up! werden vorgestellt und diskutiert.

Leonie Franziska Trimpop; Ulrike Willutzki

Titel: Subjektive Ressourcen von Patient*innen als inkrementelle Prädiktoren der therapeutischen Beziehung und des Therapieoutcomes

Patient*innen sind mehr als ihre Probleme – dennoch werden funktionale und positive Aspekte, ihre Ressourcen, in der psychotherapeutischen Forschung und Praxis kaum systematisch erfasst. Die Nützlichkeit von Ressourcen wird sowohl in dualen Gesundheitsmodellen als auch in Psychotherapieprozessstudien betont. Zielsetzungen: (1) Die Vorstellung eines multidimensionalen Konzepts zur Erfassung von Ressourcen im klinischen Kontext. (2) Die Überprüfung, ob subjektive Ressourcen von Patient*innen inkrementell die therapeutische Beziehung sowie das Therapieergebnis vorhersagen können. Vorgestellt werden Ergebnisse aus zwei longitudinalen Untersuchungen mit 202 bzw. 428 Patient*innen im Rahmen von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungen. Patient*innen mit mehr subjektiven Ressourcen berichten eine bessere therapeutische Beziehung über den gesamten Behandlungsverlauf. Patient*innen mit mehr subjektiven Ressourcen wiesen dahingehend besser Behandlungserfolge auf. Die zusätzliche Erfassung von Ressourcen kann zur Prädiktion von Prozessvariablen und des Therapieoutcomes genutzt werden. Die praktischen Implikationen dieser Ergebnisse für Diagnostik und Aktivierung von Ressourcen in Psychotherapien werden diskutiert.

Jan Schürmann-Vengels; Tobias Teismann; Jürgen Margraf; Ulrike Willutzki

Titel: Die Wirksamkeit ressourcenorientierter Psychotherapie in klinischen Populationen – Resultate einer Task Force der American Psychological Association

Ressourcenaktivierung wird in der Literatur als ein zentraler Wirkfaktor postuliert. Es fehlen jedoch systematische empirische Nachweise, inwieweit professionell durch geführte Psychotherapien durch ressourcenorientierte Vorgehensweisen zusätzlich verbessert werden können bzw. inwieweit ressourcenorientierte Interventionen die Wirksamkeit störungsspezifischer Psychotherapie in der Tendenz verschlechtert. Im Rahmen einer Task Force der American Psychological Association (APA), haben wir für professionell durchgeführte Psychotherapien eine systematische Suche sowohl zu Prozess-Ergebnis-Studien als auch zu randomisiert kontrollierte Wirksamkeitsstudien vorgenommen. Die Resultate unserer Meta-Analyse (k = 57; i = 9) ergab eine gewichtete durchschnittliche Gesamteffektgröße von g = 0,17 (p < .01) zugunsten ressourcenorientierter Psychotherapie. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ressourcenorientierte Methoden die Ergebnisse von Psychotherapien leicht verbessern können. Die Resultate werden in Hinblick auf klinische Implikationen für die ambulante Praxis kritisch diskutiert.

Christoph Flückiger; Thomas Munder; Nili Solomonov

Planung und Moderation:Philipp Victor
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr
Raum: J 32/102

Die Metakognitive Therapie wird der dritten Welle der Verhaltenstherapie zugeschrieben. Sie nimmt an, dass Metakognitionen eine zentrale Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen spielen. In diesem Symposium wird zunächst von Dr. David Goecker ein Überblick über die Theorie und Techniken der metakognitiven Therapie gegeben. Dr. Michael Simons berichtet anschließend davon, wie diese für Kinder und Jugendliche insbesondere unter Verwendung von Metaphern angewandt werden kann. Im Beitrag von Dr. Alexandra Kleiman geht es abschließend um neueste Erkenntnisse zur Behandlung von Zwangserkrankungen mittels metakognitiver Therapie als Alternative zu expositionsbasierten Ansätzen. Die Beiträge werden anschließend diskutiert.

Referate

Titel: Einführung in die Metakognitive Therapie nach Adrian Wells

Die Metakognitive Therapie nach Adrian Wells ist eine effektive und evidenzbasierte Psychotherapie, die systematisch aus theoriegeleiteten wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt wurde. Grundlage ist ein Informationsverarbeitungsmodell (Self-Regulatory Executive Function model) von Wells und Matthews (1994). Der Metakognitiven Theorie zufolge teilen psychische Störungen gemeinsame kausale Faktoren, die von Metakognitionen beeinflusst werden und zu einem Bias in der kognitiven Verarbeitung mittels Top-down-Prozessen führen. Ziel der Metakognitiven Therapie ist die Bearbeitung von Metakognitionen und Veränderung von Aufmerksamkeitsprozessen.

Die letzte Metaanalyse von Normann und Morina (2018) zeigt, dass die MCT für eine Reihe von Störungsbildern eine effektive Behandlung bietet. Besonders für die Behandlung von Depressionen und Angststörungen liegen zahlreiche Wirksamkeitsbelege vor. Zunehmend wird auch der Einsatz der MCT bei psychischen Symptomen und Störungen, die im Rahmen einer somatischen Erkrankung auftreten, untersucht. Die MCT fokussiert die Art des Umgangs mit repetitiven Gedanken, wie Sorgen und Grübeln und anderen dysfunktionalen Verhaltensweisen, die Angst und Depression aufrechterhalten. 

Der Vortrag gibt eine praxisnahe Einführung in die Grundlagen und Basistechniken des Therapieverfahrens und liefert einen Überblick über Anwendungsbereiche und die Studienlage.

David Goecker

Titel: Glaube nicht alles, was du denkst! Metakognitive Therapie mit Kindern und Jugendlichen 

Die Metakognitive Therapie (MCT) nach Adrian Wells versteht sich als eine Weiterentwicklung der Kognitiven Therapie. Im Fokus stehen nicht „dysfunktionale“ Gedanken und Überzeugungen der Patient*innen, sondern Denkprozesse (z.B. sich Sorgen machen und Grübeln), Aufmerksamkeits- und Verhaltensprozesse sowie metakognitive Überzeugungen zu den Denkprozessen (z.B. „Ich kann nicht mehr aufhören nachzudenken“). Studien belegen die gute Wirksamkeit der MCT für verschiedene Angst- und Zwangsstörungen, Depression und Posttraumatische Belastungsstörungen. Insbesondere durch die Verwendung von Metaphern können die ursprünglich für Erwachsene entwickelten Interventionen gut für Jugendliche und auch Kinder adaptiert werden.

Literatur:

Simons M (2016): Die Ohnmacht der Gedanken –  Metakognitive Therapie für Kinder und Jugendliche. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 44, 423–431.

Simons M (2018): Metakognitive Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Weinheim: Beltz.

Michael Simons

Titel: Metakognitive Therapie bei Zwang

Die nationalen und internationalen Leitlinien der Fachgesellschaften weisen die Expositionstherapie bei Zwangsstörungen als Verfahren der ersten Wahl aus. In der Praxis ergeben sich jedoch Grenzen der Wirksamkeit von expositionsbasierter Verhaltenstherapie, die vor allem auf eine mangelnde Anwendung und Akzeptanz im Gesundheitssystem zurückzuführen sind. Somit steht die Psychotherapieforschung im Bereich der Zwangsstörung aktuell vor der Frage, wie die bisherigen Behandlungsansätze erweitert bzw. ergänzt werden können, um dem Problem begegnen zu können und die Patientenzufriedenheit zu erhöhen. Eine zugleich effektivere und für Patienten und Therapeuten leichter handhabbare Behandlung der Zwangsstörungen versprechen metakognitive Modell- und Behandlungsansätze der Zwangsstörung. Während bei der KVT von Zwangssymptomen typischerweise empfohlen wird, die Vorhersagen der Patienten mittels Realitätstest zu prüfen und festzustellen, dass die Befürchtung (z B. Kontamination) nicht eintritt, zielt die Metakognitive Therapie hingegen darauf ab, Metakognitionen zu verändern. D.h. sie fokussiert nicht auf Veränderung von Annahmen über eine Kontamination, sondern exploriert Überzeugungen über die Bedeutung von Gedanken über Kontamination (metakognitive Ebene). Der Patient lernt, dass die Gedanken über Kontamination bedeutungslos sind und, dass er nicht darauf reagieren muss. Auf ausgedehnte Expositionsübungen mit dem Ziel der Habituation der Angstreaktion wird in diesem Therapieansatz ausdrücklich verzichtet. In Pilotstudien zeigte sich die Metakognitive Therapie genauso erfolgreich wie die klassische Konfrontationstherapie. Auf dieser Grundlage untersuchen wir am Fachbereich Psychologie der Universität Leipzig und der Philipps-Universität Marburg in einer großangelegten bizentrischen Studie diese Therapieform als einen alternativen oder ergänzenden Behandlungsansatz für Zwangserkrankungen.

Alexandra Kleiman