Online-Programm

Das Online-Programm wird laufend aktualisiert. Sowohl der Eröffnungsvortrag als auch die Hauptvorträge finden hybrid statt, ebenso die Symposien. 

Bitte beachten Sie, dass die Online-Workshops für die Online-Teilnehmenden vorbehalten sind und jeweils auf 25 Personen begrenzt sind. Die Workshops sind ab Januar 2023 buchbar und nur in Kombination mit der Teilnahme am Kongress. Es sind max. zwei Workshops pro Teilnehmer*in buchbar.


Vorträge

Hauptvorträge

Referent:Gerhard Reese
Datum:Mittwoch, 15.03.2023
Zeit:18:00 – 20:00 Uhr

 

Eröffnungsvortrag

Nur noch kurz die Welt retten? Die Rolle der Psychologie beim Umgang mit sozial-ökologischen Krisen.

In der Wissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass die Menschheit für die sich stetig verschlechternde Situation des Erdsystems verantwortlich ist. Diese Situation, charakterisiert etwa durch den Verlust biologischer Vielfalt, Veränderungen der Landnutzung oder den Klimawandel, erfordert rasches und konzertiertes Handeln, um lebensbedrohliche Szenarien zu verhindern. Die lange vernachlässigten psychologischen Prozesse, die für eine sozial-ökologische Transformation eine zentrale Rolle spielen, tragen zum Verständnis des notwendigen Systemwandels bei. Der Vortrag widmet sich der Ansicht, dass dabei ein Fokus auf kollektive, statt auf individuelle Prozesse entscheidend ist, um die Hebel im System zu definieren. Insbesondere soll dabei die Rolle dieser Prozesse innerhalb eines mehrstufigen Modells der Transformation dargestellt werden. Ausgehend von dieser Perspektive werden empirische Arbeiten zu verschiedenen Verhaltensweisen vorgestellt (z. B. Mobilität, Ernährungsverhalten, Aktivismus, Konsum, Unterstützung politischer Maßnahmen) und aufgezeigt, wie diese mit Fragen der sozialen Identität zusammenhängen. Eine anschließende anregende und kontroverse Diskussion darüber, wie diese Forschung die Grenzen und Möglichkeiten der Psychologie beim Verständnis – und der Bewältigung – globaler Krisen aufzeigt, ist sehr erwünscht.

Referent:Luise Reddemann
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Zeit:9:00 – 10:00 Uhr

Die Welt als unsicherer Ort – In der letzten Zeit hat uns das Leben vor große Herausforderungen gestellt: Klimakrise, das Hochwasser in Rheinland-Pfalz und NRW, das Virus und der Umgang damit und die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Letzteres erlebe ich als „Kriegskind“ am bedrohlichsten. So stellen sich viele Fragen, wie mit diesen Herausforderungen umgegangen werden kann, insbesondere mit den Folgen, denen wir in unseren Behandlungen begegnen.

1.    Wir sind alle von diesen Herausforderungen betroffen, so dass es wichtig ist, dass wir für uns unser Betroffensein und wie wir damit umgehen, klären, damit wir unsere Patient*innen nicht mit Eigenem belasten.

2.    Existentielle Themen sind in den hierzulande zugelassenen Verfahren wenig präsent. Sie sind aber bei den o. g. Problematiken hoch relevant und es ist erforderlich, dass wir uns auch damit befassen, um den Schwierigkeiten, mit denen uns Patient*innen aktuell konfrontieren könnten, angemessen zu begegnen.

3.    Biographische Einordnung und die notwendigen Antworten im Umgang mit ihnen sind natürlich weiterhin von Bedeutung.

4.    Dazu benötigen Therapeut*innen mehr denn je auch Kenntnisse der Geschichte Europas im 20. und auch in diesem Jahrhundert.

Im Vortrag sollen diese Themen behandelt werden und es soll über einen angemessenen Umgang damit nachgedacht werden.

Empfohlene Lektüre: L.Reddemann: „Die Welt als unsicherer Ort“. Klett-Cotta sowie „Kriegskinder und Kriegsenkel in der Psychotherapie“ Klett-Cotta.


Referent:Anja Hilbert
Datum:Freitag, 17.03.2023
Zeit:9:00 – 10:00 Uhr

 

Psychotherapie der Binge-Eating-Störung

Die Binge-Eating-Störung (BES) ist durch wiederkehrende Essanfälle gekennzeichnet, die ohne regelmäßige unangemessene Maßnahmen zur Gewichtskontrolle auftreten. Als eigenständige psychische Störung ist sie erstmals nach DSM-5 und ICD-11 klassifizierbar. Die BES ist die häufigste Essstörung und beginnt zumeist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter. Die Betroffenen leiden unter einer erhöhten Psychopathologie, psychischen Komorbidität, Adipositas und deren Folgeerkrankungen sowie unter substantiellen Beeinträchtigungen der Lebensqualität. Der Vortrag gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zur BES, stellt evidenzbasierte Ansätze zur Psychotherapie mit Bezug zu den aktuellen S3-Leitlinien dar und beschreibt neue Entwicklungen, darunter die Neuromodulation und digitale Behandlung. Diagnostische und therapeutische Implikationen der veränderten diagnostischen Kriterien nach ICD-11 werden diskutiert.

Referent: Monika Bormann
Datum:Samstag, 18.03.2023
Zeit:09:00 – 10:00 Uhr

Eigener Verdacht auf Kindeswohlgefährdung bei Beobachtungen in der Kindertherapie, bei Beobachtungen der erwachsenen Patient*innen, die zuhause Kinder haben, Aussagen von Kindern, Aussagen aus dem Umfeld, Kinderpsychotherapie oder psychosoziale Familienhilfe im Rahmen eines Schutzkonzeptes, Kindertherapie nach erfolgten Schutzmaßnahmen, Elterntherapie nach erfolgten Schutzmaßnahmen, Arbeit mit Geschwistern, Großeltern, jugendlichen Freund*innen …, Kooperation in Netzwerken zum Kinderschutz … Es gibt viele Berührungspunkte zur Kindeswohlgefährdung für Psychotherapeut*innen und Berater*innen.

Dieser Vortrag spannt den Bogen vom ersten Verdacht über die Klärungsschritte bis zur Intervention. Er geht auf die Besonderheiten im Umgang mit den möglicherweise bedrohten Kindern und ihren möglicherweise gefährdenden Eltern ein und setzt die Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten in den aktuell gültigen Rechtsrahmen.

Referentin:Eva-Marie Kessler
Datum:Sonntag, 19.03.2023
Zeit:09:00 – 10:00 Uhr

 

Entgegen gängiger Vorurteile ist Psychotherapie im Alter nachweislich wirksam. Trotz Leitlinienempfehlungen sind jedoch vor allem sehr alte, vulnerable Menschen immer noch äußerst schlecht versorgt. In dem Vortrag wird der psychotherapeutische Versorgungsbedarf im Alter beschrieben und der Versorgungsrealität im stationären und ambulanten Bereich entgegengesetzt. Zudem werden evidenzbasierte psychotherapeutische Verfahren und Methoden für die Betroffenen skizziert. Auf der Grundlage des neusten, internationalen Forschungsstandes werden einige Leitprinzipien des psychotherapeutischen Arbeitens dargestellt und ein kurzer Einblick in konkrete Therapiesituationen gegeben.

Online-Symposien

Planung und Moderation:Michael Borg-Laufs
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Von Kindern miterlebte Gewalt in der Familie wird von ihnen als beängstigend erlebt und hat langfristige entwicklungshemmende Folgen. Die psychosoziale Situation der Kinder, Erkenntnisse über ihre Entwicklungsmöglichkeiten und -einschränkungen sowie Möglichkeit der Hilfe für die betroffenen Kinder werden in diesem Symposium beleuchtet.

 

Referate

Titel: Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von Gewalt in Paarbeziehungen

Bei Kindern und Jugendlichen, die Gewalt in der Paarbeziehung der leiblichen Eltern und/oder zwischen leiblichem Elternteil und Stiefelternteil bzw. Lebenspartner:in miterleben, werden die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten häufig nachhaltig beeinträchtigt. Sie leiden häufig unter ähnlichen Folgen wie Mädchen und Jungen, die unmittelbar von Kindeswohlgefährdung durch Gewalt und/oder Vernachlässigung betroffen sind. In diesem Vortrag werden die unterschiedlichen Formen der Betroffenheit der jungen Menschen im Kontext von Gewalt in Paarbeziehungen erläutert. Es wird dargelegt, warum die Erfahrungen als Kindeswohlgefährdung einzuordnen sind und Prävention und Intervention daher unabdingbar zielführende (Hilfe-)Angebote für junge Menschen vorhalten müssen.

Claudia Bundschuh

Titel: Hürden der Arbeit mit den Kindern 

Wir haben in Bochum im Rahmen einer Beratungsstelle gegen Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch den Schwerpunkt „Kinder als Zeug*innen häuslicher Gewalt“ aufgebaut und dabei unerwartete Erfahrungen gemacht. Es gab fast keine Ebene, die die Not der Kinder sah und ernst nahm. Das Hilfesystem ist auf die misshandelten Frauen ausgerichtet. Jungen dürfen ab einem bestimmten Alter nicht mehr mit in die Frauenhäuser. Dazu passt, dass ein entscheidendes Argument für die Finanzierung dieses Schwerpunktes war, dass Jungen, die Zeugen häuslicher Gewalt waren, die höchste Wahrscheinlichkeit haben, selber gewalttätig zu werden. Ihre Not war nicht so wichtig. Im Vergleich mit Kindern, die wegen Misshandlung oder sexuellem Missbrauch bei uns waren, fiel durchgängig eine deutlich höhere Quote an ausgefallenen Terminen bei den Erstgesprächen und im Verlauf einer Therapie auf. Die Zahl der Therapieabbrüche war höher, die Therapiedauer kürzer.

Der Vortrag befasst sich mit den Gründen dieser Beobachtungen und mit den Schlussfolgerungen für Strukturen, Beratung und Therapie.

Monika Bormann

Titel: Familiengerichtliche Verfahren nach Partnerschaftsgewalt: Wissen und Einflussmöglichkeiten für die psychotherapeutische Praxis

Erläutert werden die Schwellen in familiengerichtlichen Verfahren in nach §§ 1666, 1684 BGB sowie für die Beurteilung des Gerichts relevante Fallmerkmale (z. B. gewaltbedingte Belastung eines Kindes). Erörtert wird, auf welchen Wege solche Informationen ins Verfahren eingebracht werden können.

Heinz Kindler

Planung und Moderation:Christoph Hausmann
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

In 4 Vorträgen stellen die Psychologists for Future e.V. in Zusammenarbeit mit Timo Luthmann, Autor des Handbuchs "Nachhaltiger Aktivismus" die aktuellen Erkenntnisse der Klima-Psychologie mit Schwerpunkt auf die Förderung psychischer Resilienz und Gesundheit bei Klima-Engagierten und -Besorgten Menschen dar. Welche Besonderheiten ergeben sich für die psychotherapeutische Praxis, welche Herausforderungen und Verantwortung sehen wir für die Berufsgruppe, sowohl in konkreten Beratungs- und Therapiesettings als auch berufspolitisch? Verschiedene emotionale Reaktionen und Verarbeitungsformen auf die ökologischen Krisen, aber auch aufs Engagement wie beispielsweise Activist Burnout werden dargestellt. Alle Referent*innen sind Autor*innen des Titels "Climate emotions- Klimakrise und psychische Gesundheit" welcher im Oktober im Psychosozial Verlag erscheint (https://www.psychosozial-verlag.de/3168)

Referate

Titel: Klimaresilienz

Katharina van Bronswijk führt in die Konzepte individueller und kollektiver Klimaresilienz ein und gibt Impulse für die berufliche Arbeit sowie berufspolitische Aufgaben in den kommenden Jahren. Dabei werden die Grenzen von Resilienzkonzepten genauso diskutiert wie die Verantwortung der psychotherapeutischen Berufsgruppe im Anthropozän.

Katharina van Bronswijk

Titel: Vorstellung des Konzept des Nachhaltigen Aktivismus und daraus resultierende Anfragen

Der Autor des Buchs "Politisch aktiv sein und bleiben. Handbuch Nachhaltiger Aktivismus" führt in das Konzept des Nachhaltigen Aktivismus ein. Anschließend gibt er Impulse aus aktivistischer Perspektive, die daraus für die Arbeit z.B. für Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen und Berater*innen resultieren.

Timo Luthmann

Titel: Psychologie des Klima-Engagements - Activist Burnout - Eine Bewegung und ein Planet brennen aus

In Hinblick auf die existenzielle Bedrohung der Klima- und Biodiversitätskatastrophe ist zivilgesellschaftliches Engagement alternativlos. Der Einsatz vor allem junger Menschen gilt der Einhaltung planetarer Grenzen sowie der Umsetzung von Umweltgerechtigkeit. Die überwältigende Menge an Aufgaben, den kaum erkennbaren Zusammenhang zwischen einzelner Aktivität und großen Zielen, Diskriminierungserfahrungen, repressive Gegenreaktionen sowie eine teils vorherrschende Selbstlosigkeitskultur bedrohen die psychische Gesundheit von Aktivist*innen: Sie laufen Gefahr einen Burnout zu erleiden. Kathrin Macha führt anhand der wissenschaftlichen Forschungslage in das aus anderen Themenfeldern bekannte Phänomen des Activist Burnout ein, zeigt die Potenzierung durch Dringlichkeit und Komplexität der Klima- und Biodiversitätskrise auf und skizziert unsere Rolle als Psychotherapeut*innen. Denn Activist Burnout bedroht nicht nur die psychische Gesundheit Betroffener, sondern auch den Fortbestand der Bewegungen: Einen aktuell unabdingbaren Teil für eine klimaresiliente Zukunft.

Kathrin Macha

Planung und Moderation:Inken Höller
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Alle 40 Sekunden stirbt ein Mensch an Suizid. Zwischen 15 - 29-Jährigen stellt Suizid sogar die zweithäufigste Todesursache dar. Wenn die Forschung bisher eins gezeigt hat, dann, dass es sich bei Suizidalität um ein komplexes, mehrfaktorielles Geschehen handelt, was die Vorhersage eines Suizidversuchs immens erschwert. Umso wichtiger ist es, Suizidalität differenziert und unter Bezugnahme verschiedenster Risikofaktoren zu verstehen und entsprechend behandeln zu können. Ziel des Symposiums ist es daher, einen Überblick über die aktuelle Suizidalitätsforschung sowie aktuelle Behandlungsmethoden zu geben.

Referate

Titel: Vom Gedanken zur Tat – Überblick zur aktuellen Suizidalitätsforschung

Suizidale Gedanken und suizidales Verhalten sind ein weltweit verbreitetes Phänomen, das bereits vielfach untersucht wurde. Doch um suizidale Gedanken frühzeitig erkennen zu können und so den Übergang zu suizidalem Verhalten womöglich zu verhindern, müssen wir Suizidalität differenziert und unter Bezugnahme verschiedenster Risikofaktoren verstehen. Denn die Forschung der letzten Jahre zeigt vor allem eins: Bei Suizidalität handelt es sich um ein komplexes, mehrfaktorielles Geschehen, was die Vorhersage eines Suizidversuchs immens erschwert. Ziel dieses Beitrags ist es daher, einen Überblick über den aktuellen Stand der Suizidforschung zu geben. Hierbei soll ein besonderer Fokus auf sogenannte proximale Risikofaktoren und deren Integration in ideation-to-action Modelle gelegt werden, die zwischen der Entstehung von suizidalen Gedanken und dem tatsächlichen suizidalen Verhalten unterscheiden.

Inken Höller

Titel: Psychotherapie nach Suizidversuch: was wirkt? 

Suizidversuche gelten als einer der wichtigsten Risikofaktoren für Suizide. Entsprechend sind wirksame Behandlungsangebote für Menschen nach Suizidversuch von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Suizidprävention. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Psychotherapieangebote für Personen nach einem Suizidversuch entwickelt und evaluiert. In diesem Beitrag soll der gegenwärtige Stand der Effektivitätsforschung zu suizidbezogenen Psychotherapieangeboten zusammengefasst und kritisch reflektiert werden. Ausgewählte Behandlungsangebote werden exemplarisch vorgestellt. Schließlich werden Faktoren, die einer Behandlungsaufnahme aus Patient:innensicht entgegen stehen können, benannt und ein Ausblick auf sinnvolle weitere Entwicklungen suizidbezogener Psychotherapieforschung skizziert.

Thomas Forkmann

Titel: Psychische Folgen und psychotherapeutische Unterstützung nach dem Suizid eines Angehörigen 

Jeder Suizid hinterlässt in der Regel 6 - 10 nahestehende Angehörige, welche durch die Folgen des Suizids direkt betroffen sind. Trauer nach einem Suizid weist spezifische Trauerreaktionen auf, die sich von anderen Todesumständen unterscheiden können. Häufig erleben Suizidhinterbliebene Stigmatisierung und Schuldzuweisungen aus dem Umfeld, Schamgefühle aufgrund des Suizids sowie weitreichende psychosoziale Beeinträchtigungen. Suizidtrauernde weisen zudem selbst ein erhöhtes Suizidrisiko auf und gelten als Hochrisikogruppe für psychische Erkrankungen. Der Beitrag beschäftigt sich mit psychosozialen Interventionen für die Angehörigen unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands und stellt therapeutische Implikationen für die Arbeit mit Suizidtrauernden vor.

Birgit Wagner

Titel: Suizidalität im Kindes- und Jugendalter

Der Großteil der Jugendlichen, die von Suizidgedanken zu einem Suizidversuch übergehen, berichten von ihrem ersten Versuch innerhalb von ein bis zwei Jahren nach Erstmanifestation der Suizidgedanken. Aktuelle Entwicklungstendenzen, die ein deutlich jüngeres Erstmanifestationsalter nahelegen, als auch die zunehmend hohen Raten der suizidbedingten Sterblichkeit bei Jugendlichen unterstreichen die Dringlichkeit, verlässliche und potenziell modifizierbare Risikofaktoren und Warnsignale speziell für diese Altersgruppe zu identifizieren und nachhaltig zu behandeln. Dieser Vortrag nimmt, unter Berücksichtigung zentraler entwicklungspsychologischer Aspekte, eine Synthese aktueller empirischer Evidenz zur Phänomenologie der Suzidialität im Kindes- und Jugendalter sowie adäquater Verhaltensinterventionen für akut suizidgefährdete Jugendliche vor. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf begünstigenden Faktoren hinsichtlich der Offenlegung suizidaler Gedanken und Verhaltensweisen im psychotherapeutischen Prozess.

Aleksandra Kaurin

Planung und Moderation:Birsen Kahraman
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Im ersten Nationalen Rassismusmonitor (DeZIM, 2022) geben 22% der Befragten in Deutschland an, dass sie rassistische Diskriminierungserfahrungen haben. Rassismuserfahrungen haben auf interpersoneller, aber auch institutioneller und struktureller Ebene erhebliche Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit (Yeboah, 2017). Dennoch werden Rassismuserfahrungen in der klinischen Praxis und deutschsprachigen Forschung bislang kaum systematisch erfasst. Ebenso wenig haben wir bislang Konzepte und Curricula, um Rassismuserfahrungen in der Psychotherapie bzw. in der Aus- und Weiterbildung wirksam zu adressieren. Dieses Symposium möchte anhand aktueller Forschungsergebnissen und Praxisbeispiele über Folgen von Rassismus / Bearbeitungsmöglichkeiten informieren und günstige institutionelle Rahmenbedingungen reflektieren.

Referate

Titel: Vielfalt, gerne! Rassismus, lieber nicht?

Ansätze zur Förderung einer vielfaltssensiblen und rassismuskritischen Organisationsentwicklung in Kliniken werden vorgestellt. Die Referentin gibt einen Einblick in ihre Arbeit und liefert Beispiele gelungener Praxis, um Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus in der eigenen Einrichtung zu implementieren.

Sidra Khan-Gökkaya

Titel: Wozu und Wie rassismussensible Psychotherapie?

Bislang wurde die Behandlung von Klient*innen mit Migrationsgeschichte bzw. von nicht deutsch gelesenen Klient*innen vor allem unter interkulturellen/ transkulturellen Ansätzen konzeptualisiert. Inzwischen kommen immer häufiger Klient*innen mit dem Wunsch nach rassismuskritischer Behandlung in die Praxis, da sie in ihren privaten oder professionellen Beziehungen dauerhaft krankmachende Ausgrenzungserfahrungen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Herkunft, Religion und/ oder Kultur machen. Darum ist es notwendig, dass Behandler*innen  Rassismuserfahrungen und Folgestörungen identifizieren und darauf eingehen können. Dieser Beitrag führt anhand von Fallbeispielen in relevante Konzepte für rassismussensible Psychotherapie ein.

Birsen Kahraman

Titel: Brauchen Kinder/ Familien rassismussensible Beratung und Therapie?

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Auswirkungen von Rassismus, v.a. auf Kinder und Jugendliche bzw. auf Eltern- und Partner*innenschaft. In Form eines Gesprächs soll erörtert werden, mit welchen Fragen, Anliegen und Symptomen Betroffene in die Beratung/ Therapie kommen, welche Unsicherheiten bei Behandler*innen auftreten, wie wir die eigene Positionierung reflektieren können und wann bzw. wie rassismussensible Beratung/ Therapie gelingen kann.

Stephanie Cuff-Schöttle

 

 

Planung und Moderation:Heiner Keupp; Bernhard Scholten
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Sexualisierte Gewalt in Familien und Institutionen ist seit 2010 aus der Latenz, die durch Schweigen, Verharmlosung und Vertuschung möglich wurde, öffentlich geworden. Es waren Betroffene aus kirchlichen und reformpädagogischen Institutionen, die den Mut hatten, einer unvorbereiteten Gesellschaft das ihnen zugefügte Unrecht aufzuzeigen. Sie haben Aufklärung, Aufarbeitung und Anerkennung von Politik und Institutionen eingefordert. Seither hat sich ein Handlungsfeld entwickelt, in dem ein Runder Tisch, ergänzt durch einen Eckigen Tisch der Betroffenen, erste Weichen gestellt hat, die Schaffung des Amtes einer Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung erfolgte, ein Betroffenenrat und eine Unabhängige Aufarbeitungskommission berufen wurden. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass die Spitze des Eisbergs gut benannt werden kann, dass es aber unverändert ein unzureichend aufgeklärtes und aufgearbeitetes Dunkelfeld gibt.  Eindeutig belegt ist, dass es für Betroffene nicht die Psychotherapie- und Beratungsangebote gibt, die sie dringend brauchen.

In diesem Symposium wird das politische und institutionelle Handlungsfeld zu Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt von verantwortlichen Akteurinnen beschrieben werden. Sie werden thematisieren, wie eine gute gesetzliche und politische Basis für die noch lange notwendigen Aktivitäten abgesichert werden kann. sichern. Diese brauchen auch die politische Unterstützung psychosozialer Fachverbände. Dabei werden die Referentinnen ihre Erwartungen an psychosoziale Fachleute formulieren, damit sich diese mit ihren professionellen Kompetenzen an diesem gesamtgesellschaftlichen Projekt engagieren können.

Referate

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern - Eine Bestandsaufnahme

Seit der öffentlichen Debatte um die sexuellen Übergriffe im Canisius-Kolleg und der Odenwald-Schule hat die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs auch in Deutschland begonnen. Das Referat zeichnet die gesellschaftspolitischen Entwicklungen nach: angefangen von dem spontan von drei Ministerien initiierten "Runden Tisch" unter Leitung der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann bis zur heutigen Diskussion um eine gesetzgeberische Absicherung dieser Aufarbeitungsarbeit.

Sabine Andresen

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern – die Perspektive einer Betroffenen 

Angela Marquardt ist seit 2020 Mitglied des Betroffenenrates bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des Sexuellen Kindesmissbrauchs und ständiger Gast in der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs auf Bundesebene.

Der Beitrag wird ausgewählte Perspektiven von Betroffenen darstellen. Dabei soll schwerpunktmäßig die Frage diskutiert werden, was aus Sicht von Betroffenen notwendig ist, damit Aufarbeitung stärkend sowie entlastend wirken kann. Der Beitrag wird versuchen, die Erwartungen von Betroffenen an die Psychotherapie und die fehlenden Möglichkeiten zu skizzieren. Gleichzeitig sollen damit potentielle Aufgaben von Psychotherapie, klinischer Psychologie und Beratung sowohl für den individuellen wie auch für die gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozesse beschrieben werden. Der Beitrag soll grundsätzliche Erwartungen von Betroffenen an diese Aufarbeitungsprozesse aufzeigen.

Angela Marquardt

Titel: Sexualisierter Gewalt in Psychotherapie und Beratung wirksam begegnen – wider eine viktimisierende Kultur

Sexualisierte Gewalt ist für die meisten Betroffene mit schweren psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen verbunden. Eine gelingende Therapie ist jedoch „fast ... ein Sechser im Lotto”, so ein aktuelles Forschungsprojekt der Kommission. Die heutige Psychotherapie entlang dem medizinischen Modell in Forschung wie Praxis bietet nur wenig Raum für schwer belastete Hilfesuchende. Fachberatungsstellen sind breiter orientiert, aber längst nicht flächendeckend vorhanden. Die Versorgungshürden haben damit zu tun, dass Gewalt als individuelles gesundheitliches Problem statt als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse betrachtet wird. Die gesellschaftlich verantworteten Versorgungs- und Qualitätsdefizite haben jedoch individuelle Folgen: Betroffene finden kaum fachgerechte Angebote. In dem Beitrag soll auf Basis einer kurzen Bestandsaufnahme skizziert werden, wie Psychotherapie und Beratung gewaltbetroffenen Menschen fachgerecht eine Chance bieten und im besten Falle Teil einer Gerechtigkeits- und Selbstbemächtigungsorientierung werden könnte.

Silke Birgitta Gahleitner

Titel: Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern – die gesellschaftspolitischen Implikationen und Erwartungen

Seit vielen Jahren gibt es zunehmend strukturierte Versuche, den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gesellschaftspolitisch aufzuarbeiten. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs hat gemeinsam mit dem UBSKM-Amt (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs) zahlreiche Initiativen gestartet, um diese Aufarbeitung zunehmend möglich zu machen und inhaltlich zu qualifizieren. Es wurden Maßnahmen zur Aufarbeitung des Missbrauchs in Kirchen, Schulen und Sportverbänden gestartet, und auch im zentralen Kontext des Missbrauchs in Familien. Aufarbeitung an sich ist bisher gesetzlich jedoch nicht geregelt, für kein System, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Ziel eines aktuell vorbereiteten Gesetzgebungsverfahrens zur Verankerung des UBSKM-Amtes soll auch die Stärkung von Aufarbeitung sein. Eine Debatte im Rahmen des Symposiums, warum dies wichtig ist und wie dies ausgestaltet werden könnte, soll durch den Beitrag angeregt werden.

Kerstin Claus

Planung und Moderation:Annett Kupfer
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Rassismus und rassistische Diskriminierung sind allgegenwärtig – auch in ihren exkludierenden, entwürdigenden und herabsetzenden Folgen für Betroffene. Sind ihre negativen Auswirkungen im Allgemeinen vielfach belegt, existieren allerdings im deutschsprachigen Raum hinsichtlich der Folgen für die psychische Gesundheit bis hin zu möglichen durch erlebten Rassismus ausgelösten Traumatisierungen nur wenige Studien. Im Symposium wird daher zum einen der Zusammenhang zwischen Rassismuserfahrungen, psychischer Gesundheit und traumaspezifischen Stressreaktionen diskutiert, auch indem rassistische Diskriminierungen sozialpolitisch und gesamtgesellschaftlich eingebettet als ‚man made desasters‘ entworfen werden. Im Kontext wiederkehrender, von außen induzierter Rassismuserfahrungen wird jedoch zugleich die Begrenztheit einer Diagnose wie „PTBS“ hinterfragt. Zum anderen wird im Symposium nach der Rolle und Funktion psychosozialer Beratung und hier speziell der Relevanz einer rassismuskritischen und zugleich traumasensiblen Perspektive in professionellen Hilfsangeboten gefragt. 

Referate

Titel: Diagnostisches Fallverstehen mit geflüchteten Menschen diskriminierungssensibel gestalten: Das Projekt TraM

Ziel des vom BMBF (Forschung an Fachhochschulen, 09/2019 bis 12/2022) geförderten Projektes TraM (Traumatisierte minderjährige Geflüchtete verstehen und unterstützen) war, ein zielgruppenspezifisches Diagnostikmodell zu erstellen. Auf Basis qualitativer Daten (problemzentrierte Interviews mit jungen geflüchteten Menschen und Gruppendiskussionen mit psychosozial tätigen Fachkräften) und der Zusammenschau von bereits bewährten Konzepten sozialer Diagnostik wurde ein Modell erstellt, in die Praxis implementiert und formativ evaluiert. Deutlich wurde, dass die jungen Menschen von umfangreichen rassistischen Diskriminierungen betroffen sind. Diese Erfahrungen und der Umgang mit ihnen hatte erheblichen Einfluss auf den Ankommens- und Entwicklungsprozess der jungen Menschen. Ausgrenzungs- und Ohnmachtserfahrungen sind daher in der Interventionsplanung psychosozial tätiger Fachkräfte an vorderer Stelle zu bedenken. Der Vortrag stellt zunächst die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts und auf deren Basis das erstellte Diagnostikmodell vor. Dabei wird besonders in den Fokus genommen, wie es gelingen kann, diagnostisches Fallverstehen diskriminierungssensibel zu gestalten. Teil des Symposiums "Rassismus, Trauma und Beratung. Rassistische Diskriminierungen als gesellschaftlich gerahmte ‚man made desasters‘ und ihre psychosoziale Bearbeitung"

Silke Birgitta Gahleitner; Lisa Große

Titel: „Gefangen in der Gesellschaft“ – rechte, rassistische und antisemitische Gewalt schmerzt – verletzt – tötet. Neue Perspektiven und Wege für die Beratung

In verschiedenen Studien wird deutlich, dass zwar die körperlichen Folgen, nach einem Angriff, nicht schwerer sind als bei nicht politisch motivierter Gewalt, jedoch die psychischen Folgen signifikant höher sind. Dies lässt sich nicht allein aus der erlebten Situation heraus erklären, vielmehr ist die erlebte Gewalt als Zuspitzung permanenter und alltäglicher Rassismus- und Diskriminierungserfahrung heraus verstehbar. Die Komplexität bei Rassismusbezogene Viktimisierungsprozesse kann bei der Unterstützung von Betroffene undurchsichtig wirken. Daher müssen Ansätze, die sich der Versorgung und Unterstützung von Betroffenen widmen, über (1) ein fundiertes Wissen, hinsichtlich Entstehung und Folgen gesellschaftlicher Machtverhältnisse verfügen, (2) die existenziell bedrohliche Qualität von Rassismus- und Diskriminierungserfahrung als Permanenzereignis wahrnehmen und (3) Möglichkeitsräume eröffnen - in denen Handlungsfähigkeit (angesichts möglicher neuer Verletzungen) möglich ist. Erkenntnis aus der Beratung von Betroffenen eröffnet neuen Perspektiven und eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten.

Eben Louw ; Robert Enge

Titel: Psychische Gesundheit und wahrgenommene Diskriminierung bei Leipziger Bürger*innen syrischer Nationalität

Psychische Gesundheit und wahrgenommene Diskriminierung bei Leipziger Bürger*innen syrischer Nationalität Yuriy Nesterko, Kim Schönenberg und Heide Glaesmer Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig Hintergrund: Menschen mit eigener Einwanderungsgeschichte und insbesondere mit Fluchterfahrung haben ein hohes Risiko nicht nur vor und während der Einwanderung bzw. Flucht, sondern auch nach dem Ankommen in einem sicheren Aufnahmeland einer Reihe von widrigen bzw. traumatischen Erfahrungen ausgesetzt zu sein. Rassismus- und Diskriminierungen gehören zu solchen Erfahrungen und stellen somit eine Gefahr für das psychische Wohlbefinden der Betroffenen dar. Im Rahmen einer Befragung Leipziger Bürger*innen syrischer Nationalität wurde dem Zusammenwirken zwischen wahrgenommener Diskriminierung und psychischem Wohlbefinden nachgegangen. Methode: 513 Leipziger*innen syrischer Nationalität haben zwischen September 2021 und März 2022 an einer postalischen Befragung zum allgemeinen psychischen Wohlbefinden und Erfahrungen mit Diskriminierungen in unterschiedlichen Lebensbereichen teilgenommen. Neben den soziodemographischen Fragen und Fragen zu wahrgenommener Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen wurden standardisierte Skalen zur Erfassung der Symptome von Angst (GAD-7), Depression (PHQ-9) sowie Posttraumatischer Belastungsstörung (PCL-5) eingesetzt. Zusätzlich zu den deskriptiven Analysen sind inferenzstatistische Rechnung zu möglichen Zusammenhängen zwischen wahrgenommener Diskriminierung und psychischer Belastung geplant. Vorläufige Ergebnisse: Insgesamt berichten 10,3% der Befragten, dass sie noch nie aufgrund ihrer Nationalität bzw. ihres Migrant*innenstatus diskriminiert wurden, entsprechend berichten 89,7% von derartigen Erfahrungen in mindestens einem der erfassten Bereiche (73,7% bei der Wohnungssuche, 70,2% in öffentlichen Räumen wie dem ÖPVN oder beim Einkaufen, 54,5% während der Arbeitssuche, 54,9% in Behörden bzw. auf dem Amt, 51,9% in der Schule oder auf der Arbeit und 31% im Gesundheitswesen). Mit Blick auf das psychische Wohlbefinden berichten 38.3% von klinisch relevanten Symptomen der Angst, 28.7% der Depression und 25.3% der Posttraumatischen Belastungsstörung. Detaillierte Analysen zu möglichen Zusammenhängen zwischen psychischer Belastung und wahrgenommener Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen werden im Vortrag berichtet und diskutiert.

Yuriy Nesterko

Planung und Moderation:Tanja Legenbauer
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Essstörungen zählen weiterhin zu den psychischen Erkrankungen mit den höchsten Neuerkrankungsraten im Kindes- und Jugendalter, wobei in den letzten Jahren auch immer mehr jüngere Kinder erkranken. Im Rahmen der Pandemie ist die Inanspruchnahme v. a. geschuldet der aggravierten Erkrankungsverläufe stark gestiegen. Dabei ist insbesondere die Nahrungsverweigerung bei der Anorexie mit lebensbedrohlichem Untergewicht und körperlichen Folgeerkrankungen sowie kognitiven Beeinträchtigungen eine große Herausforderung für Behandler und Eltern. Die Erfolgsraten sind im Kindes- und Jugendalter besser als im Erwachsenenalter, dennoch bleiben sie ernüchternd und die Chronifizierungsgefahr ist nach wie vor hoch.
Neue Erkenntnisse aus der Forschung, die zur weiteren Verbesserung der aktuellen Leitlinienbehandlung beitragen und zu besseren Erfolgen von Gewichtsrehabilitation und Ernährungsmanagement beitragen, sind wünschenswert. Vielversprechend erscheinen hier Ansätze zur Nahrungsexposition bei Anorexie, Ansätze zur Verbesserung des Körperbildes sowie dialektisch-behaviorale Ansätze. Das vorliegende Symposium stellt einen Überblick über diese neuen Entwicklungen dar, welche helfen könnten, die Chronifizierung der Erkrankung zu verhindern.
In einem ersten Vortrag (Derks, Bochum) soll es zunächst um einen Überblick über die Folgen der Pandemie auf die Entwicklung von Essstörungen gehen. Im zweiten Vortrag (Legenbauer, Bochum) liegt der Fokus auf der Nahrungsexposition als additives Behandlungselement in der Anorexie-Behandlung juveniler AN. Dazu wird ein aktueller Überblick der Forschungsliteratur gegeben und Möglichkeiten der praktischen Anwendung diskutiert. Der dritte Vortrag (Horndasch, Erlangen) präsentiert erste Ergebnisse einer PC-gestützten Körperkonfrontationbehandlung zur Verbesserung des Körperbildes bei adoleszenten Patient*innen mit Anorexie. Der letzte Vortrag (Bürger, Würzburg) widmet sich der Frage, inwiefern DBT-Behandlungselemente in der Behandlung der juvenilen Anorexie die Erfolgsquote verbessern können und stellt ein entsprechendes Behandlungskonzept vor.

Referate

Titel: Evaluation einer computergestützten Intervention zur Körperkonfrontation bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa - Effekte auf Psychopathologie und Blickverhalten 

Die Körperunzufriedenheit stellt ein Kernmerkmal von Essstörungen dar und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Anorexia nervosa (AN). Die Körperbildtherapie über Körperkonfrontationen vor einem Spiegel zeigte in bisherigen Befunden langfristig eine deutliche Reduktion der Körperunzufriedenheit. Gleichzeitig stellt diese Konfrontation mit dem eigenen Körper kurzfristig eine besondere Herausforderung dar und wird von negativen kognitiven, emotionalen und physiologischen Reaktionen begleitet.

In der vorliegenden Studie wird eine eye-tracking-basierte Körperkonfrontation bei Jugendlichen am PC durchgeführt und im Hinblick auf deren Machbarkeit und kurzfristige Effekte überprüft.

Die Daten von 18 weiblichen Jugendlichen fließen in die aktuellen Auswertungen ein. Die Körperkonfrontation, die jeweils in vier Sitzungen durchgeführt wird, orientiert sich an einer standardisierten und manualisierten Körperbildtherapie (Vocks und Legenbauer, 2007). Die Psychopathologie (Essstörungspathologie, körperbezogenes Vermeidungs- und Kontrollverhalten, subjektive emotionale Reaktion) wird über standardisierte diagnostische Fragebögen vor und nach der Intervention erfasst. Während jeder Sitzung wird das Blickverhalten (zur Erhebung eines evtl. vorhandenen “attentional bias”) mittels Eye-Tracking erhoben.

Erste Ergebnisse zeigen eine Reduktion der negativen Emotionen und des Kontrollverhaltens im Verlauf der Konfrontationssitzungen sowie einen Trend zur Reduktion des dysfunktionalen Blickverhaltens. 

Implikationen für die Durchführbarkeit der Intervention und die Untersuchung des potentiell zugrundeliegenden Mechanismus der Habituation werden diskutiert.r Entstehung von suizidalen Gedanken und dem tatsächlichen suizidalen Verhalten unterscheiden.

S. Horndasch; L. Sasse; G. Moll; O. Kratz; V. Stonawski

Titel: Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Komorbiditätscluster psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – eine Netzwerkanalyse

Hintergrund: In den letzten Jahren hat die Prävalenz von psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen durch die Covid-19-Pandemie deutlich zugenommen. So zeigten sich 75% der Kinder und Jugendlichen bereits durch die erste Welle der Pandemie deutlich belastet und die Prävalenz von psychischen Auffälligkeiten hat sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen gehören Depressionen, Angststörungen und Essstörungen mit einer Prävalenz von 5-10%. Auch die Prävalenz von Symptomen dieser Erkrankungen hat während des Pandemiegeschehens im Vergleich zum präpandemischen Zeitraum signifikant zugenommen. Zusätzlich zeigte sich eine Zunahme der Symptombelastung bei Personen mit bereits bestehender psychischer Erkrankung durch die Pandemie. Die vorliegende Studie untersucht daher die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Komorbiditätscluster von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen.
Methode: Für die Studie werden die Daten der Routinediagnostik von Patient:innen, welche im Zeitraum zwischen 01/2019 und 02/2022 stationär in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen wurden, analysiert. Die Patient:innen werden je nach Aufnahmedatum in zwei Kohorten eingeteilt (prä- vs. peri-Covid ) und nach Alter und Geschlecht gematcht. Es wird mithilfe von Netzwerkanalysen ein prä-Covid-Netzwerk sowie ein peri-Covid-Netzwerk, welche Symptome von Depressionen, Angststörungen sowie Essstörungen beinhalten, berechnet. Anschließend findet ein Vergleich der Symptomnetzwerke mittels Network Comparison Test statt.
Ergebnisse: Die Studie befindet sich aktuell in der Phase der Datenakquise und Aufbereitung. Die Ergebnisse der Netzwerkanalysen sollen auf dem Kongress präsentiert werden.
Diskussion: Ein besseres Verständnis des Einflusses der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist wichtig, um zukünftige Präventions- sowie Interventionsangebote an die individuellen Spezifika der Zielgruppe anzupassen. Die Verstärkung der Symptomatik bereits bestehender Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ist Grund zu der Annahme, dass Komorbiditäten verstärkt auftreten und sich Symptomcluster psychischer Erkrankungen unter Einfluss der Pandemie verändert haben. Eine sorgfältige Untersuchung der Syptomnetzwerke soll ermöglichen, besonders zentrale Symptome sowie möglicherweise mit Komorbidität assoziierte Symptome der Erkrankungen herauszufiltern, damit diese in der Prävention und Therapie gezielter aufgegriffen werden können.
Laura M. Derks, Charlotte M.K. Milewczyk, Martin Holtmann, Tanja Legenbauer

Titel: Nahrungsexposition als additives Behandlungselement in der Behandlung der Anorexia nervosa

Anorexie ist eine schwerwiegende Erkrankung mit Beginn in Kindheit und Jugend und hoher Chronifizierungsgefahr. Kernsymptom der Anorexie ist ein massiver Gewichtsverlust durch das Vermeiden von Nahrung und begleitet von etwaigen Gegenmaßnahmen. Zentrales Element der Erkrankung ist zudem die starke Furcht vor einer Gewichtszunahme, welche zur Vermeidung verschiedenster Nahrungsmittel und massivem Diätverhalten führt. Auch rigide Rituale bei der Zubereitung und der Einnahme der Mahlzeiten treten häufig auf und stehen mit der massiven Furcht davor, fett zu werden, in Zusammenhang. Aktuelle Behandlungsprinzipien basieren auf kognitiv-behavioralen Programmen, welche die Gewichtszunahme im Sinne operanter Verstärkerprogramme unterstützen und kognitiven Techniken zur Veränderung dysfunktionaler Annahmen, welche das rigide Diätverhalten aufrechterhalten. Oft kommt es nach der intensiven stationären Behandlung zu einer erneuten Gewichtszunahme, so dass ergänzende Maßnahmen in der kognitiv-behavioralen Behandlung sinnvoll erscheinen. Ein mögliches additives Behandlungselement könnte die Durchführung von nahrungsbezogener Exposition sein. Diese wird bereits bei bulimischen Essstörungen zur Etablierung von Kontrolle über das Essen eingesetzt. Bislang gibt es allerdings kaum Studien, welche die Wirksamkeit von Nahrungsexposition bei Anorexia nervosa untersuchen. Der vorliegende Vortrag widmet sich daher der Frage, ob und wann Nahrungsexposition zur Behandlung der Anorexie sinnvoll eingesetzt werden könnte.
Methodik: Zusammenfassende Bewertung des aktuellen Literatur- und Forschungsstandes.
Ergebnisse und Diskussion: Eine adaptierte Form der Nahrungsexposition erscheint geeignet, um Ekelgefühle und Ängste vor hochkalorischen Nahrungsmitteln und Essenssituationen zu reduzieren und so den Gesundungsprozess und die Gewichtszunahme zu unterstützen.

Tanja Legenbauer

Titel: DBT-A bei Patient*innen mit einer Anorexia nervosa – Praxistipps und metaanalytischer Abgleich

 Die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer Essstörung ist vor allem aufgrund der hohen Mortalitätsrate, möglicher somatischer Begleitumstände sowie des phasenweise brüchigen Commitments herausfordernd für Patienten*innen und Behandler*innen. In vielen Kliniken gibt es Erfahrungen, dass die Patient*innengruppe nicht von verhaltenstherapeutischen Stufenplänen profitiert und scheinbar eine Eigenmotivation für den Heilungsprozess fehlt. Im Rahmen der Behandlung von essgestörten Patient*innen wird gegenwärtig untersucht, inwieweit sich Methoden der dialektisch behavioralen Therapie (DBT) z. B. stufenbasiertes Vorgehen (Behandlungsintensität abgestuft nach dem Schweregrad), Skills zur Stresstoleranz, Emotionsregulation und achtsamkeitsbasierte Methoden implementieren lassen. Für die Übertragung dieser therapeutischen Methoden bedarf es allerdings einer dialektischen Grundhaltung, welche auf eine Eigenverantwortung und Autonomie der Patient*innen setzt. Letztere ist nur teilweise in der derzeitigen verhaltenstherapeutischen Arbeit gegeben. Neben der Vorstellung der praktischen Umsetzung der DBT werden die Ergebnisse eine Meta-Analyse zu Interventionen der 3. Welle der Psychotherapie für Essstörungen im Jugendalter berichtet.

A. Bürger, Julia Geissler, Timo Vloet, Manuel Föcker

Planung und Moderation:Lea Bogatzki
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:60 Uhr

Geflüchtete haben eine hohe Prävalenz von psychischen Störungen. Zahlreiche Zugangsbarrieren verringern die Inanspruchnahme von Psychotherapie. Dieses Symposium beleuchtet die Versorgung im kassenfinanzierten Regelsystem aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Therapeutenperspektive greift einerseits die problematische Selektion von Patient:innen auf (Projekt Bielefeld), andererseits werden die Erfahrungen bei der Behandlung Geflüchteter thematisiert (Projekt Furchtlos Konstanz). Im 3. Beitrag wird die aktuelle Versorgungssituation beleuchtet sowie das Konstanzer Modellprojekt zur Integration Geflüchteter in die Regelversorgung vorgestellt. Im 4. Beitrag wird die Effektivität sowie die Perspektive einer neuen Berufsgruppe, der sog. Peers (Mitgeflüchtete), basierend auf einer qualitativen Befragung im Konstanzer Modellprojekt fokussiert. Die Diskussion soll die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen der Zuhörer:innen integrieren und Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Versorgungssystems aufgreifen.

 

Referate

Titel: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit“ Idealismus vs. Realität - Psychotherapeutische Gesundheitsversorgung von Geflüchteten

Noch nie war die Zahl der Menschen, die vor Verfolgung, Konflikten und Krieg fliehen so hoch wie heute. Deutschland zählt aktuell 1,4 Millionen Geflüchtete. Unfreiwillige Migration geht mit einem erhöhten Morbiditätsrisiko für psychische Störungen einher. Expert:innen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schätzen, dass 50% der in den letzten Jahren nach Deutschland gekommenen Geflüchteten traumabedingte psychische Störungen haben und dass ca. 25% von ihnen professionelle psychotherapeutische Hilfe bedürfen. Das deutsche Gesundheitssystem ist nicht ausreichend vorbereitet, um dieser gesundheitlichen Versorgungsaufgabe zu begegnen und es besteht eine große Diskrepanz zwischen Bedarf und tatsächlicher Versorgung. Strukturelle Zugangsbarrieren erschweren und verringern eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme von Psychotherapie. Welche Möglichkeiten gibt es dennoch, Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. anzubieten? Wie funktioniert die Abrechnung und wer ist Kostenträger für Gesundheitsleistungen, wenn noch keine Krankenkassenkarte vorhanden ist? Wie können wir als Psychotherapeut:innen Brücken bauen, um einem diskriminierungsfreien Zugang zum Menschenrecht auf Gesundheit zu gewährleisten?

Lea Bogatzki

Titel: Othering von Geflüchteten? Einstellungen von Psychotherapeuten gegenüber Patienten mit und ohne Fluchthintergrund

Ein großer Teil geflüchteter Menschen weist Traumafolgestörungen auf, die eine psychotherapeutische Behandlung erfordern. Doch selbst in Ländern mit einem etablierten Psychotherapiesystem stoßen Geflüchtete nach wie vor auf Hindernisse bei der Versorgung. Vorherige Forschung hat gezeigt, dass Einstellungen von Gesundheitspersonal zu Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung von marginalisierten Populationsgruppen beitragen können. Allerdings ist wenig über die Einstellungen von Psychotherapeuten gegenüber Geflüchteten bekannt. Basierend auf einer Studie mit ambulanten Psychotherapeuten in Deutschland werden Unterschiede in den Einstellungen gegenüber geflüchteten und nicht geflüchteten Patienten beleuchtet. Der Zusammenhang zwischen Einstellungen und Ungleichheiten in der psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten wird eruiert und Empfehlungen für die therapeutischen Praxis abgeleitet.

Lars Dumke, Frank Neuner

Titel: “Es lohnt sich dranzubleiben“ - ambulante Psychotherapie von Geflüchteten im deutschen Gesundheitssystem

Obwohl Psychotherapie mit geflüchteten Patient:innen im Exilland wirksam ist, können in der Therapie organisatorische und inhaltliche Herausforderungen auftreten. Um diese Herausforderungen zu reduzieren, wurden im Rahmen des Modellprojekts "Furchtlos" angehende Therapeut:innen, ihre Supervisor:innen, Sprachmittler:innen und Gesundheitspat:innen in Baden-Württemberg geschult und unterstützt. Therapeut:innen, die im Rahmen dieses Modellprojekts einen Fall übernahmen wurden zu der organisatorischen und inhaltlichen Durchführung und ihrem persönlichen Erleben der Therapie befragt. Die vorliegende qualitative Studie untersucht, wie sich Herausforderungen in der ambulanten Psychotherapie mit Geflüchteten auf die Motivation der Therapeut:innen für zukünftige Therapien mit Geflüchteten auswirken. Darüber hinaus sollen hilfreiche Strategien der Therapeut:innen im Umgang mit diesen Herausforderungen dargestellt werden.

Flurina Potter, Marlene Zehb, Katalin Dohrmann, Veronika Müller-Bamouh, Brigitte Rockstroh & Anselm Crombach

Titel: Psychotherapeutische Regelversorgung für Geflüchtete – das Konstanzer Modellprojekt mit Koordinierter Behandlung unter Einsatz von Gesundheitspat:innen (KOBEG)

Um der Versorgungsherausforderung zu begegnen und eine kultursensible und deckende Versorgung zu realisieren, wurde 2017 im Landkreis Konstanz ein Modellprojekt aufgebaut mit dem Ziel, psychisch belastete Geflüchtete besser in die Regelversorgung zu integrieren. Das Projekt fokussiert sich auf einen Landkreis als kommunale Verwaltungseinheit mit einheitlicher Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes und beinhaltet zwei Komponenten: Die koordinierte Versorgung und der Einsatz von trainierten Peers (Gesundheitspat:innen). Geflüchtete werden über eine Koordinierungsstelle in Regelpsychotherapie vermittelt und erhalten durch Gesundheitspat:innen interkulturelle Wissensvermittlung, Motivationsaufbau und eine Begleitung des Prozesses der Vermittlung in die Regelversorgung. Zudem erfolgt die Organisation von Sprachmittlung, die Vertretung gegenüber Kostenträgern sowie inhaltliche und organisatorische Unterstützung für Psychotherapeut:innen. Erste Ergebnisse bestätigen die Machbarkeit, geringe Abbruchzahlen und positive Effekte der Psychotherapien auf die Symptombelastung der Geflüchteten. Die neue Berufsgruppe der Gesundheitspat:innen gibt überwiegend an, dass die Tätigkeit des Helfens bereichernd ist, wobei sich der Aufbau von Vertrauen und das Miterleben von schwerem Leid teilweise als Herausforderung darstellt.

Lea Bogatzki, Daniela Mier, Brigitte Rockstroh & Michael Odenwald

Planung und Moderation:Anja Görtz-Dorten
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

 Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie unterliegen dem Wandel des „digitalen Zeitalters“ aufgrund der Zielpopulation in besonderem Maβe. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass moderne Medien im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eine ganze Bandbreite neuer Möglichkeiten und Chancen bieten, die Wirksamkeit unserer Therapien zu verbessern. Sie werden daher wahrscheinlich in der Zukunft einen zunehmenden Stellenwert einnehmen, wobei die Möglichkeiten und die Grenzen digitaler Unterstützung in Diagnostik, Prävention und Therapie noch auszutesten sind. Erfahrungen der letzten Jahre und empirische Befunde zu diesem Medium sollen in dem Symposium zusammengetragen und diskutiert werden. Im Symposium soll zunächst auf die Möglichkeiten der Nutzung von Apps auf Smartphones in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eingegangen und ein Überblick über den aktuellen Entwicklungs- und Forschungsstand gegeben werden. Im Anschluss sollen zwei Therapie-Apps (AUTHARK, die App-unterstützte Therapiearbeit für Kinder und JAY, die Journaling APP for Youth) ausführlicher präsentiert sowie erste Ergebnisse zu ihrer Wirksamkeit in der Diagnostik und Therapie vorgestellt und diskutiert werden. Im darauffolgenden Teil des Symposiums soll ein virtuelles Interaktionstraining und ein virtueller Interaktionstest (VIT 4 KIDS) für Kinder mit aggressivem Verhalten, die beide derzeit evaluiert werden, vorgestellt und bisherige Erfahrungen der Pilotierung berichtet werden. Zum Abschluss wird das therapeutisches Online-Coaching (THONCO) bei Zwangs- und Tic-Störungen vorgestellt und die Ergebnisse zweier Einzelfallstudien präsentiert.

 


Referate

 

 

Planung und Moderation:Rita Rosner
Datum:Samsatg, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Im ICD-10 findet sich neben einer Neuordnung der Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) eine weitere Traumafolgestörung: Die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS). Diese ist neben den klassischen PTB-Symptomen durch eine Störung der Selbstorganisation gekennzeichnet. Die Beiträge in diesem Symposium beleuchten anwendungsorientierte Befunde bezüglich der beiden Störungen im Rahmen von Diagnostik und Therapie. Im ersten Vortrag wird ein neu entwickeltes, lizenzfreies Diagnoseinstrument zur Erfassung beider Diagnosen vorgestellt und Anwendung und Auswertung erläutert. Der zweite Vortrag fokussiert darauf, dass es insbesondere in der Pubertät schwierig sein kann, Störungen der Selbstorgansation von „normalen“, aber belastentenden Veränderungen in der Pubertät zu differenzieren. Im letzten Vortrag wird detailliert gezeigt, dass expositionsbasierte Interventionen nicht zu einer vermehrten Belastung führen.

Referate

Titel: Trauma-Screening mithilfe des CATS-2 Fragebogens bei Kindern und Jugendlichen in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Grundversorgung

Im Rahmen von routinemäßigen Screeninings nach potentiell traumatischen Erlebnissen (PTE) und PTBS in klinischen Inanspruchnahmepopulationen geben etwa zwei Drittel der befragten Kinder und Jugendlichen an, mindestens ein PTE erlebt zu haben. Etwa 30% der Kinder geben sogar vier oder mehr traumatische Ereignisse an und etwa 20 % berichten von klinisch relevanten PTBS-Symptomen. Mit dem Child and Adolescent Trauma Screen 2 (CATS-2) steht ein frei verfügbares und in viele Sprachen übersetztes Instrument zur Erfassung von PTEs und PTBS-Symptomen zur Verfügung. Der Vortrag beschreibt die Entwicklung des Fragebogens, die psychometrischen Gütekriterien sowie Anwendung und Auswertung. Im Rahmen von Fallbeispielen soll der klinische Nutzen des Screenings und einer traumasensitiven Befundrückmeldung verdeutlicht werden. Anschließend sollen Anregungen über die klinische Anwendbarkeit gegeben und potentielle Risiken und Nutzen verdeutlicht werden.

Cedric Sachser; Elisa Pfeiffer

Titel: Befunde zur ICD-11 komplexen PTBS im Kindes- und Jugendalter

In der ICD-11 werden aktualisierte Kriterien für eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) enthalten sein, gleichzeitig wird die komplexe PTBS (kPTBS) mit zusätzlichen Schwierigkeiten in der Selbstorganisation (SSO) als neue Diagnose eingeführt. Dieser Beitrag gibt anhand erster Forschungsergebnisse Einblicke in die Auswirkungen dieser Neuerungen für die kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis: Die Häufigkeitsraten der PTBS-Diagnose werden gegenüber anderen Diagnosemanualen sinken (um bis zu 30%). Treten SSO-Symptome auf, so bewerten Bezugspersonen diese überwiegend als Folge der traumatischen Ereignisse, weniger als entwicklungsbedingte Schwierigkeiten. Etablierte evidenzbasierte Behandlungsmanuale wie die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (tf-kvt) können auch zur Behandlung der kPTBS eingesetzt werden (d = 2.16).

Rebekka Eilers

Titel: Kommt es bei jugendlichen PTBS-Patient:innen  während traumafokussierter Psychotherapie zu einer Zunahme von Problemverhalten?

Trotz wirksamer, evidenzbasierter Interventionen und den Empfehlungen der nationalen und internationalen Leitlinien zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sind einige Therapeut:innen besorgt, dass eine traumafokussierte Psychotherapie mit expositionsbasierten Elementen zu einer Verschlechterung von assoziierten dysfunktionalen Verhaltensweisen bei Jugendlichen führen könnte. Dieser Beitrag gibt daher einen Überblick über den Verlauf von Suizidgedanken, Selbstverletzungen, aggressivem Verhalten sowie Substanzkonsum in einer Gruppe von Patientent:innen mit misshandlungsbezogener PTBS auf Basis täglicher Messungen (n = 4044 Tagebuchkarten). Während der Therapie zeigten die Jugendlichen keine Zunahme an problematischen Verhaltensweisen, was die Bedeutung der Dissemination evidenzbasierter Behandlungsmanuale unterstreicht.

Anne Fischer; Rita Rosner; Babette Renneberg; Regina Steil

 

 

 

 

Planung und Moderation:Friederike Schwarzkopf
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Für unbegleitete geflüchtete Jugendliche bedeutet der Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter oft einen Verlust von Garantien, einschließlich Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe, Aufenthaltsstatus und Unterkunft. Durch diese Lücken im Betreuungssystem sowie zusätzliche rechtliche Hürden werden junge geflüchtete Menschen für das Entwickeln von psychischen Erkrankungen besonders vulnerabel gemacht. Dieses Symposium wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum ÜBERLEBEN und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Deutschland organisiert. Es werden aktuelle Forschungsergebnisse in diesem Bereich, praxisbasierte Beratungserfahrungen aus der Abteilung für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen des Zentrum ÜBERLEBEN sowie Ergebnisse aus dem U-CARE-Projekt (Unaccompanied Children in Alternative Residence) vorgestellt und diskutiert. Zusammenfassend plädieren wir für mehr Flexibilität und einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz in den Betreuungssystemen. Nur so können gesunde Umgebungen entstehen, in denen junge Menschen in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

 

Referate

Titel: Barrieren beim Zugang zu psychischer Versorgung für junge geflüchtete Menschen

Junge geflüchtete Menschen, insbesondere unbegleitete Minderjährige, sind vor, während und nach der Migration zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt, die ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Viele haben traumatische Erfahrungen in der Heimat und auf der Flucht erlebt. Auch die psychosozialen Rahmenbedingungen in der postmigratorischen Situation haben einen entscheidenden Einfluss auf ihre weitere psychische Entwicklung. Trotz der differenzierten psychosozialen und psychiatrischen Versorgungsstruktur in Deutschland sehen sich junge asylsuchende Menschen mit verschiedenen strukturellen, institutionellen und kulturellen Barrieren konfrontiert, wenn es um den Zugang und die Nutzung von psychosozialen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Angeboten geht. Gerade in der Übergangsphase des Erwachsenwerdens kommt es deshalb häufig zu Anpassungsproblemen sowie einer Reaktualisierung früherer negativen Erfahrungen. Dieser Vortrag fokussiert sich auf die bestehenden Missstände und Herausforderungen im bestehenden Versorgungssystem, zeigt aber ebenso mögliche Lösungsansätze auf, wie etwa ein „Übergangsmanagement“ mit dem Ziel der bedarfsgerechten Begleitung durch das Hilfesystem.

Luciana Degano Kieser

Titel: Erfahrungen aus der Psychotherapeutischen Behandlung von unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen

Die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten kommt in der psychotherapeutischen Regelversorgung zu wenig an. Nicht nur die strukturellen Hürden sind vielfältig, auch die inhaltliche Arbeit mit oft mehrfach traumatisierten Heranwachsenden birgt große Herausforderungen für die psychotherapeutische Praxis. Ein mangelndes eigenes Verständnis psychischer Gesundheit, das oft gänzliche Fehlen von Bindungen, somatische Probleme und eine in den Grundfesten erschütterte Beziehungserfahrung stellen die ambulante Versorgung nicht selten auf die Probe. In die eigentlich durch Autonomiestreben geprägte Phase drängen sich existenzielle Fragen wie Aufenthalt, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie Wohnraum. Die therapeutische Entwicklung von Ressourcen, Bindungen und Zielen wird durch eine Vielzahl externer Faktoren beeinflusst. Ein flexibles Handeln und ein ganzheitlicher Blick sind unerlässlich. Dieser Beitrag soll einen Einblick in die intensive und spannende Arbeit mit jungen geflüchteten, traumatisierten Menschen geben und Mut machen, dieser marginalisierten Gruppe die ambulante psychotherapeutische Versorgung zu ermöglichen bzw. diese zu verbessern.

Martin Gött

Titel: U-CARE – Junge Geflüchtete als Care Leaver stärken

Ziel des EU-geförderten U-CARE-Projekts (Unaccompanied Children in Alternative Residence) bestand darin, alternative Betreuungsansätze für unbegleitete junge Geflüchtete zu entwickeln. Gerade für diese jungen Menschen ist der Übergang aus der Jugendhilfe in ein eigenständiges Leben mit zahlreichen Risiken und Belastungen verbunden. Gemeinsam mit den betroffenen jungen Menschen selbst, aber auch Fachkräften sowie Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, wurden Konzepte erarbeitet, die unbegleitete s.g. Care Leaver auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben stärken. Der Kurzvortrag bietet einen Einblick in die Lebensrealität, Sichtweisen und Forderungen der jungen Menschen und stellt ausgewählte Projektergebnisse vor. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei psychosozialen Faktoren, die einen entscheidenden Beitrag für gelingende Übergänge in die Eigenständigkeit leisten.

Jan Graf

Planung und Moderation:Leonie Teigler; Carina Heyde
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Geflüchtete Menschen und Überlebende menschengemachter Gewalt erleben die schwerste Form vom Traumatisierung und Exklusion. Um sich von Menschenrechtsverletzungen und gewaltvollen Verhältnissen erholen zu können, bedarf es des Zugangs zu einer multiprofessionellen Unterstützung. Die psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Folter und Genozid bieten seit einigen Jahrzehnten spezialisierte Angebote der Psychotherapie, sozialen Arbeit und rechtlichen Beratung an, sind jedoch auf die Kooperation und den Austausch mit der Regelversorgung angewiesen. Das Symposium möchte mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis und Daten aus der Versorgungsforschung Anregungen für die Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Zentren und niedergelassenen Therapeut*innen schaffen.

 

Referate

Titel: Das psychosoziale Versorgungsmodell der PSZ

Die BAfF und ihre Mitgliedszentren (PSZ) setzen sich seit mehreren Jahrzehnten dafür ein, dass Menschen, die durch Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen Schaden erlitten haben, eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung „unter einem Dach“ erhalten, mit dem Ziel der Verbesserung der gesundheitlichen, sozialen und individuellen Lebenssituation und der Wiederherstellung und Sicherstellung der Würde der Überlebenden. Der menschenrechtsorientierte Ansatz, der eine bedarfsgerechte und kontextspezifische Versorgungskontinuität für die Klient*innen gewährleistet, stellt eine Kernkompetenz und Alleinstellungsmerkmal der Zentren dar. Der Vortrag bietet einen Überblick über den menschenrechtsorientierten, interdisziplinären Ansatz der PSZ, das qualifizierte Arbeiten in der Triade mit Dolmetschenden und die Herausforderungen an Behandelnde und Sprachmittelnde in Beratung und Therapie.

Katja Mériau

Titel: Psychosoziale Unterstützung für Überlebende von Genozid

Individuelle und gesellschaftliche Aspekte müssen in der Arbeit mit Überlebenden von “man-made disasters” zusammengedacht werden. Wie können durch ein gesellschaftspolitisches und multiprofessionelles Verständnis der Folgen schwerer kollektiver Gewalt Handlungsmöglichkeiten gefunden werden, ohne in starre Konzepte wie kollektives oder soziales Trauma zu verfallen? Ein Ansatzpunkt bieten hier Erkenntnisse aus der Arbeit mit Überlebenden von Genoziden. Ausgehend von der Holocaust-Forschung wird die Arbeit von AMCHA in der psychosozialen Versorgung von Shoah-Überlebenden und ihren Familien skizziert und die Frage aufgeworfen, welche Parallelen zur therapeutischen und psychosozialen Arbeit in anderen Kontexten von Genozid, Verfolgung und massiven Menschenrechtsverletzungen gezogen werden können.

Larissa Kunze; Adina Dymczyk

Titel: Bridging the Gap: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der psychosozialen Versorgung traumatisierter Geflüchteter

In der psychosozialen Versorgung Geflüchteter bestehen für besonders schutzbedürftige Gruppen – z.B. Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden - erhebliche Probleme bezüglich des Zugangs und der Qualität der Angebote. Versorgungslücken, sowie mögliche Ansätze zur strukturellen und qualitativen Verbesserung bestehender Angebote im Arbeitsfeld werden anhand qualitativer Forschungsergebnisse zu den Erfahrungen und Bedarfen LSBTI*-Geflüchteter und Mitarbeitender des Versorgungssystems diskutiert. Dabei greifen die Referent*innen auf qualitative Interviews sowie auf Praxiserfahrung in der Beratung und Therapie LSBTI*-Geflüchteter sowie des Dachverbands der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer zurück.

Leonie Teigler; Alva Träbert

Titel: Folterüberlebende in unserer psychotherapeutischen Behandlung

Folter gehört zu den "man-made-disasters", die gravierende Folgen für die Psyche einer Person haben können. Haben wir als Psychotherapeut*innen nicht auch die heilberufliche Pflicht, Folterüberlebende in unserem gesundheitlichen Regelsystem adäquat zu behandeln? Wie können wir Foltererlebnisse in der Psychotherapie besprechbar machen und sie diagnostizieren und dokumentieren? Wie kann eine Behandlung und Rehabilitation solch schwerwiegender "man-made-disasters" gelingen? Und wie gehen wir mit den eigenen Belastungen um, welche in der Arbeit mit Überlebenden schwerer menschengemachter Gewalt entstehen können? Anhand von Fallbeispielen stellen wir aus unserer Arbeit der Diagnostik und (Psycho-)Therapie mit Überlebenden von Folter, auch mit unsicherem Aufenthaltsstatus, vor und öffnen den Raum für gemeinsame Reflektion zum Thema.

Carina Heyde; Asita Shirali Dikloo

Planung und Moderation:Mari Günter; Kirsten Teren; Tilly Tracy Reinhardt; Gisela Fux Wolf
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Die Trans*gesundheitsversorgung ist ein aktuell sich rasant entwickelndes therapeutisches Arbeitsfeld. Um diese herum ranken sich gesellschaftliche Diskurse und Ausgrenzungsstrategien, die Einfluss auf die Arbeit und Haltung nehmen und damit ein kontextkompetentes psychotherapeutisches Arbeiten notwendig machen. Gleichermaßen ist die vertiefte Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Vielfalt befruchtend für die gesamte Psychotherapielandschaft. Im Symposium stellen wir ausgewählte aktuelle Themenfelder der Trans*gesundheitsversorgung vor und laden zur kritischen Reflektion und Diskussion ein. Wir wollen Lust auf die vielfältigen Möglichkeiten diversitysensiblen Arbeitens machen. Zur inhaltlichen Vertiefung und für einen praktischen Einstieg bieten wir einen zweiteiligen Workshop an.

Referate

Titel: Medizingeschichtliche Hintergründe und deren Auswirkungen auf die strukturelle Diskriminierung in der Psychotherapie heute - Forderungen für die Ausbildung in der Psychotherapie

Aufgrund der damaligen Moralvorstellungen wurden trans*geschlechtliches Erleben und geschlechtliche Vielfalt in verschiedene hochpathologische Diagnosen gefasst. Dies führte zu einer systematischen Diskriminierung und Pathologisierung von trans* Personen im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft. Sogenannte Behandlungsversuche waren aufgrund ihres konversionstherapeutischen Ansatzes schädlich und führten in aller Regel zu einer Vermeidung der Inanspruchnahme von Psychotherapie, obwohl vor dem Hintergrund der Auswirkungen von Diskriminierung ein großer Behandlungsbedarf bestand. Im Zusammenhang mit dem Paradigmenwechsel, der Entpsychopathologisierung und Anerkennung der Selbstbestimmung sind auch Psychotherapeut*innen gefordert, ihre Angebote entsprechend der Gesundheitsbedarfe von trans* und nicht-binären Personen zu gestalten. Im Vortrag werden einerseits Anregungen für die praktische Tätigkeit gegeben, andererseits Forderungen für eine gender- und diversitysensible Ausbildung abgeleitet.

Kirsten Teren

Titel: Diskriminierung in der Lebensspanne - Auswirkung von Diskriminierung auf Lebensläufe

Es ist mittlerweile fast unumstritten und durch viele Studien belegt, dass Diskriminierung Auswirkungen auf Gesundheit und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat. Im Kontext der Antidiskriminierungsberatung erleben wir bei mehrfachdiskriminierten und trans*, inter* und nicht-binären Personen hier spezifische Auswirkungen auf die gesamte Lebensspanne. Gleichzeitig führen diskriminierende Strukturen und heteronormative Vorstellungen dazu, dass bestimmte Narrative entstehen, wie eine trans* Biographie auszusehen habe, was inter* oder nicht-binär sei. Anhand von fiktiven Lebensläufen und mit Hilfe der Antidiskriminierungsberatung sollen in dem Vortrag aufgezeigt werden, wie Krisen, Narrative und Wirkungsweisen von Diskriminierung über die Lebensspannen von trans*, inter* und nicht-binären Personen wirken können.

Tilly Tracy Reinhardt

Titel: Aktueller Stand und Entwicklung in der Trans* Gesundheitsversorgung

Der Forschungsstand bezogen auf eine trans*respektvolle Gesundheitsversorgung entwickelt sich derzeitig rasch weiter. Motor der Entwicklung ist insbesondere die Mitwirkung und Autor*innenschaft von queeren Forscher*innen, die durch die Perspektiverweiterung auf die konkreten Auswirkungen von Forschung und Gesundheitspraxen das Themenfeld unterdessen maßgeblich prägen. Als Psychotherapeut*innen in der Versorgung sind wir hier in der glücklichen und auch herausfordernden Position des lebenslangen Lernens, was in der Gesundheitsversorgung marginalisierter Personen auch ein Umlernen und Verabschieden letztlich nicht hilfreichen Wissens und ein Entlarven diskriminierender Wissensinhalte umfasst. In dem Beitrag werden die aktuellen Standards of Care der World Professional Association in der achten Version diskutiert, die aktuellen Leitlinien der APA zur konkreten psychotherapeutischen Arbeit mit trans*, genderqueeren und nichtbinären Personen sowie mit dem Multicultural frame der APA ein Grundlagenmodell zum machtkritischen und kontextsensiblen Arbeiten vorgestellt. Diese Konzepte ermöglichen uns fachlich basierten Ansatz zur Haltungsreflexion in der psychotherapeutischen Arbeit mit minorisierten Gruppen, die letztlich zu einer gesellschaftlich emanzipatorisch ausgerichteten Position unserer Profession hinweist. Konkrete Anwendungsbeispiele werden gegeben.

Gisela Fux Wolf

Titel: Folgen der Entpsychopathologisierung im Rahmen der ICD-11 und Konsequenzen für die Versorgungssituation

Für die Erstellung der ICD-11 hat die WHO entschieden, das trans*geschlechtliche Erleben nicht mehr in ein Kapitel der psychischen Erkrankungen einzuordnen. Damit ist die Geschlechtsinkongruenz bei Heranwachsenden und Erwachsenen zwar weiterhin in vielen Fällen ein versorgungswürdiger Gesundheitszustand, wird aber eben nicht mehr als psychische Erkrankung betrachtet. Dieser Paradigmenwechsel hat große Auswirkungen auf trans* Personen, insbesondere Minderjährige, hinsichtlich ihrer Selbstbestimmung bei der Einwilligung in medizinische Behandlungen. Auch die angemessene und passgenaue Formulierung von Behandlungsbedarfen wird damit gefördert. Da eine Entpsychopathologisierung genauso wie die bisherige Pathologisierung nicht nur eine Haltungsfrage, sondern auch ein alltägliches Handeln ist, ergeben sich für die Versorgungspraxis Aufgaben und Impulse, die im zweiten Teil des Vortrags beleuchtet werden sollen. Und natürlich stellt sich für die Zukunft die Frage, ob und in welcher Form die psycho-medizinischen Fachgewerke für dieses Themenfeld zuständig bleiben werden, da keine entsprechende Diagnose mehr vorliegt …?

Mari Günther

Planung und Moderation:Nele Dippel
Datum:Sonntag, 19.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Referate

CBASP@YoungAge - Ein modulares Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Depression und interpersonellen Problemen

Depressionen sind bereits im Kindes- und Jugendalter von eindeutiger Relevanz. Betroffene zeigen bedingt durch die Erkrankung deutliche Beeinträchtigungen. Assoziierte Folgen sind auch über die Symptome hinausgehende Entwicklungseinschränkungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen, sowie ein erhöhtes Risiko für chronische  Verläufe im Erwachsenenalter. Depressionen müssen damit auch in diesen frühen Entwicklungsphasen rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt werden. Es herrscht Bedarf an wirksamen und auf die Altersgruppen zugeschnittenen neuen Psychotherapiemethoden, insbesondere da bisherige Studien zur Wirksamkeit der Psychotherapie bezogen auf die Qualität sehr heterogen sind und auf kleine Effektstärken hinweisen (Oud et al., 2019; Eckshtain et al., 2019; Weisz et al., 2016).

Basierend auf CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy; McCullough, 2003), Forschungsergebnissen zum Einbezug von Bezugspersonen in die Psychotherapie (Dippel et al., under review) und modularer Interventionen (z.B. Weisz et al., 2012) konzipierten wir ein modulares, individualisiertes Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche. Die Behandlung von depressiven Symptomen, mit zusätzlicher Adressierung der daraus resultierenden interaktionellen Schwierigkeiten mit primären Bezugspersonen, sind die Hauptansatzpunkte für CBASP@YoungAge (vgl. Brakemeier, Guhn, Normann, 2021).

Es wurden bereits bewährte Techniken von CBASP (Arbeit mit Prägungen, Situationsanalysen, Kiesler-Kreis, therapeutische Beziehungsgestaltung durch diszipliniertes persönliches Einlassen) für verschiedenen Altersgruppen angepasst. Bezugspersonen werden, basierend auf den CBASP-Techniken in die Therapie direkt einbezogen. Insbesondere sollen durch ein interpersonelles „Kiesler-Kreis-Training“ wechselseitige dysfunktionale familiäre Beziehungsdynamiken aufgedeckt und verändert werden. Weitere Therapiemodule, basierend auf evidenzbasierten Methoden, werden bei Komorbiditäten modular integriert. Aktuell wird das Programm im Rahmen einer Pilotstudie im ambulanten Rahmen erstmalig eingesetzt. Die Ziele bestehen darin, die Machbarkeit und Wirksamkeit des für Kinder und Jugendliche adaptierten Konzeptes im ambulanten Setting erstmalig zu überprüfen.

Titel: „ich bin alles“: Infoportal zur Depression und psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen

Trotz wirksamer Therapieangebote begeben sich nur wenige an Depression erkrankte Kinder und Jugendliche in Behandlung. Barrieren umfassen u.a. mangelndes Wissen über die Erkrankung bei den Betroffenen und ihren Familien sowie Angst vor Stigmatisierung. Angesichts der schwerwiegenden Folgen depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen wollen wir mit der Bereitstellung des innovativen und webbasierten Infoportals „ich bin alles“ (www.ich-bin-alles.de) einem dringenden Handlungsbedarf zeitgemäß gerecht werden.

Die Plattform wurde u.a. auf Basis der S3-Leitlinie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer depressiven Störung entwickelt und richtet sich an gesunde und an Depression erkrankte Kinder und Jugendliche sowie an deren Eltern. Diese Zielgruppen wurden bei der Entwicklung der Webseite kontinuierlich miteinbezogen. „ich bin alles“ informiert umfassend und evidenzbasiert über Symptomatik, Diagnostik, Ursachen und Verlauf sowie Behandlungsformen der Depression bei Kindern und Jugendlichen und bietet darüber hinaus Tipps zum Erhalt der psychischen Gesundheit.

Ausgewählte Teile der Webseite wurden in mehreren Studien bei den unterschiedlichen Zielgruppen (Kinder und Jugendliche mit Depression, gesunde Kinder und Jugendliche sowie Eltern dieser beiden Gruppen) wissenschaftlich evaluiert. Dabei wurden u.a. Wissenszuwachs sowie die Akzeptanz der Plattform untersucht. Die Ergebnisse werden aktuell ausgewertet und auf der Tagung neben der Vorstellung des Infoportals präsentiert.

Sara Kaubisch; Regine Primbs; Lucia Iglhaut; Maartje Kloek; Charlotte E. Piechaczek; Pia-Marie Comanns; Lisa Feldmann; Ellen Greimel & Gerd Schulte-Körne

Titel: Chatbots zur Behandlung depressiver Störungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen? Einblicke in die Entwicklung des Chatbots „Cady“ 

Chatbots sind vielversprechende digitale Anwendungen, die über natürliche Sprache, z.B. mithilfe von Textnachrichten, mit Nutzer*innen interagieren. Sie haben das Potenzial, Barrieren der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und Limitationen bisheriger digitaler Interventionen, wie den Aufbau einer therapeutischen Beziehung, zu reduzieren. Während Chatbot-Studien bei Erwachsenen eine ausreichende Akzeptanz, Machbarkeit und vielversprechende Wirksamkeit gezeigt haben, ist nicht viel darüber bekannt, wie ein Chatbot für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen gestaltet werden soll.

Im Forschungsprojekt „Cady“ entwickeln wir entlang eines menschenzentrierten Entwicklungsprozesses einen Chatbot für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen. In einer ersten Studie (n = 15) haben wir mithilfe von Interviews die Bedürfnisse, Präferenzen und Gestaltungswünsche für einen solchen Chatbot ermittelt. Im Anschluss haben wir auf Basis dieser Ergebnisse einen Prototyp auf Basis der Kognitiven Verhaltenstherapie entwickelt. Den Prototypen haben wir in einer zweiten Studie (n = 20) mit der Think-Aloud Methode, Interviews und Fragebögen im Labor evaluiert. Aktuell entwickeln wir die „Cady“ Smartphone-App.

Im Vortrag soll zunächst eine allgemeine Einführung in Chatbots zur Förderung psychischer Gesundheit gegeben werden. Anschließend möchten wir das Forschungsprojekt „Cady“ und die Ergebnisse der beiden Studien vorstellen.

Florian Onur Kuhlmeier; Ulrich Gnewuch; Eva-Lotta Brakemeie; Stefan Lüttke

Titel: Wie weiter nach der Klinik? Poststationäre Nachsorge 4.0 für Jugendliche und junge Erwachsene mit depressiven Störungen: Das Leuchtturmprojekt „iCAN“

Zuletzt ist die Zahl der Klinikbehandlungen wegen einer Depression bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in erheblich angestiegen (Statistisches Bundesamt, 2017). Etwa 20% dieser Fälle sind Rehospitalisierungen, die auf eine unzureichende Nutzung ambulanter Nachsorgeangebote zurückzuführen sind und zu enormen Belastungen für das Gesundheitssystem führen (Greiner et al., 2019). Dieser ungünstigen Entwicklung soll das Projekt iCAN entgegenwirken, das 3,6 Mio. EUR vom G-BA Innovationsfonds gefördert wird. Mit 30 Studienzentren, 9 Krankenkassen und der Unterstützung u.a. der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, BPtK, BVDP und BVDN ist iCAN eines der größten Projekte zur Verbesserung der Versorgung junger Menschen mit Depression in Deutschland (https://t1p.de/ican-greifswald). 

Methode: iCAN ist ein blended-care Nachsorgeangebot, das Patient*innen im Anschluss an die stationäre Behandlung für 3 Monate nutzen. iCAN kombiniert eine Smartphone-App (KVT-basierte Trainingsmodule) mit einem Telefoncoaching durch zertifizierte E-Coaches. Die Zusammenstellung des Trainingsplans erfolgt KI-gestützt, die App-Nutzung wird von einem Chatbot begleitet. Ziele von iCAN sind (a) die stationär erreichten Therapieerfolge zu stabilisieren und (b) Patient*innen nach stationärer Behandlung zeitnah an ein passendes ambulantes Nachsorgeangebot anzubinden.

Ergebnisse: Die Effekte von iCAN werden in einer prospektiven, Multicenter-RCT mit N = 368 Patient*innen (13 bis 25 Jahre) evaluiert. Hauptendpunkte für den Vergleich von TAU und TAU plus iCAN sind die Veränderung der Symptomschwere vom Zeitpunkt der Entlassung bis zum 3-Monats-Follow Up, die Nutzung ambulanter Nachsorgeangebote sowie Krankheitskosten.

Diskussion: Im Fall einer positiven Evaluation von iCAN kann dieses innovative Nachsorgekonzept flächendeckend in der Regelversorgung eingesetzt werden. Vorgestellt werden das iCAN-Konzept inkl. Demonstration der Smartphone-App, Studienrational sowie das Evaluationskonzept.

Stefan Lüttke; Christian Aljoscha Lukas; Klara Greffin; Sebastian Saur; Silke Schmidt; Matthias Berking; Eva-Lotta Brakemeier

Online-Workshops

Planung und Moderation:Abdallah-Steinkopff
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Das Empfinden von Heimweh und Heimatlosigkeit kann für viele Menschen, die ihre Heimat verlassen und ein neues Leben in Deutschland aufgebaut haben, eine wiederkehrende, oft auch schmerzhafte Erfahrung sein. Das Thema vereint vielfältige psychologische Aspekte, die Auswirkungen auf die psychische Entwicklung eines Menschen mit Migrationserfahrung und auf die folgenden Generationen haben können. Leider findet es bisher wenig Beachtung in der psychotherapeutischen Arbeit. 

Ziel dieses Workshops ist es, Kolleg*innen einerseits einen kurzen theoretischen Einblick in das Erleben von Heimat, Heimweh, Heimatlosigkeit, Migration, Ausgrenzungserfahrungen und Rassismus zu geben, sowie Erklärungsmodelle zu deren Auswirkungen auf psychische Entwicklung und seelische Gesundheit anzubieten. Anhand praktischer Übungen, Methoden und Instrumente wird angestrebt, eine günstige persönliche Haltung für die Arbeit mit diesen Themen zu erarbeiten."

Planung und Moderation:Katharina van Bronswijk; Philipp Schiebler
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-13:30 Uhr

Die aufkommende Bedrohung durch die Klimakrise löst viele starke Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit, Schuld und Scham aus. Eine häufige Strategie zur Vermeidung dieser Gefühle besteht darin, den Klimawandel und seine Folgen zu leugnen oder zu ignorieren. Um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, brauchen wir jedoch einen nachhaltigen Systemwechsel. In diesem Workshop erklären und üben wir, wie man mithilfe von Achtsamkeit, Akzeptanz und Wertearbeit die emotionale Regulierung erleichtern und eine ausgewogene Planung engagierten Handelns bewirken kann - nicht nur für Klient*innen, die unter der Klimakrise leiden, sondern auch für uns als Berufsgruppe.

Planung und Moderation:Marie Dietz; Sebastian Hoyer
Datum:Sonntag, 19.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Obwohl Kinder und Jugendliche mit neurologischen Erkrankungen aufgrund multipler Belastungsfaktoren häufiger emotionale Störungen als körperlich gesunde Patient:innen entwickeln, finden sie seltener den Weg in die Regelversorgung. Die Phänomenologie und deren Auswirkungen auf die Erlebenswelt der Familien zu verstehen, ist ein wichtiger Baustein in der Entwicklung einer Compliance und wirksamen psychotherapeutischen Behandlung. Im Rahmen unseres Workshops möchten wir am Beispiel der Epilepsie gemeinsam mit Ihnen diagnostische und verhaltenstherapeutische Strategien im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und deren Familien besprechen.

Planung und Moderation:Wolfgang Foltin; Lea Dreissen
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Young carers sind ca. 500 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, die regelmäßig für ein oder mehrere (chronisch) kranke oder behinderte Familienmitglieder (z.B. Eltern, Geschwister, Großeltern) sorgen und Verantwortung übernehmen, ihnen helfen, sie pflegen oder sich an deren Pflege und Unterstützung in einem essentiellen Umfang beteiligt. Die zweistündige Fortbildung umfasst folgende Module: - Definition Young Carers - Ergebnisse aus der KiFam-Studie der Uni Witten/Herdecke - Persönlicher Erfahrungsbericht - Unterstützungsangebote und die „Pausentaste“ (App und Netzwerk) - Handlungsoptionen

Planung und Moderation:Alexander Hartig
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit: 14:00-16:00 Uhr

Aufgrund der Komplexität des deutschen Sozialversicherungssystems, verläuft die Implementierung der ICD-11 in Deutschland zäh. Trotzdem ist die ICD-11 schon jetzt hochrelevant für den psychotherapeutischen Alltag. Diese kurze Einführung bietet erst eine Übersicht zu strukturellen Veränderungen, Innovationen und Störungsumbennenungen bevor dann inhaltliche ICD-11-Highlights in folgender Reihenfolge präsentiert werden: (1) Neu aufgenommene Störungen; (2) Veränderungen bei Störungen die bereits Teil der ICD-10.

 

 

Planung und Moderation:Alexander Hartig
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Die Einführung des dimensionalen Modells der Persönlichkeitsstörungen stellt die wahrscheinlich fundamentalste Veränderung in der elften Revision der ICD dar. Nach einem wissenschaftsgeschichtlichen Überblick wird der Workshop die Diskussion um die klassisch-kategoriale Konzeption von Persönlichkeitsstörungen aufgreifen; Ziel dabei ist, die Gründe für die Neuentwicklung des dimensionalen ICD-11 Modells nachvollziehbar zu machen. Im Hauptteil des Workshops wird das neue Modell erst vorgestellt; abschließend wird die Anwendung des Modells mithilfe einer Übung erprobt.

 

Planung und Moderation:Annika Kleischmann
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Die Behandlung von Menschen mit einer Intelligenzminderung wird von vielen Psychotherapeut*innen als Herausforderung empfunden. Diese Patientengruppe zeigt auf den ersten Blick unverständliche Verhaltensweisen, die durch das Konzept der emotionalen Entwicklung (Anton Došen) verständlicher werden. Dieser Workshop vermittelt Handlungswissen im Kontakt mit intelligenzgeminderten Patient*innen. Im Fokus steht dabei die Diagnostik des emotionalen Entwicklungsniveaus (SEO/SEED). Anhand eines Fallbeispiels wird verdeutlicht, wie sich das emotionale Entwicklungsniveau eines Patienten auf seine psychische Erkrankung auswirkt und welche Schritte in der therapeutischen Arbeit wichtig sind.


Planung und Moderation:Cord Neubersch
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Die Gruppentherapie befasst sich mit wichtigen Frage- und Problemstellungen, die mit Trauma und Traumafolgestörungen zu tun haben. Es ist ein geschlossenes, diagnosespezifisches Setting. Es sind alle Patient:innen zugelassen, die eine Diagnose im Rahmen von Trauma und Traumafolgestörungen aufweisen. Die Gruppentherapie ist in 16 psychoedukative Module mit jeweiligen Themenschwerpunkte unterteilt. Eine traumafokussierte individuelle Behandlung ist in der Gruppentherapie im Anschluss an den psychoedukativen Teil vorgesehen. In dem Workshop werden die Module vorgestellt und die fachliche Begleitung der Gruppentherapie intensiv eingegangen.

Planung und Moderation:Frauke Niehues
Datum:Freitag, 17.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Impacttechniken sind Methoden, die alle Sinne ansprechen und Emotionen aktivieren. Hierdurch erzielen sie eine erstaunliche Wirkung: - Sie machen komplexe Konzepte erlebbar und begreifbar - Sie erreichen oft die Wurzeln von Emotionen und Verhalten - Sie verändern häufig selbst festgefahrene kognitive Konzepte - Sie werden gut memoriert und wirken besonders tief und nachhaltig. Impacttechniken sind ressourcen- und lösungsorientiert angelegt und durch den geringen Zeitbedarf sehr spontan und flexibel einsetzbar. In dem Workshop lernen Sie Impacttechniken für häufige therapeutische Fragestellungen und Konzepte kennen.

 

 

Planung und Moderation:Frauke Niehues
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

In dem Workshop wird ein neues Selbstwertmodell vorgestellt. Dieses umfasst alle wichtigen Aspekte, die Einfluss auf das Selbstwertgefühl nehmen und setzt diese in Bezug zueinander. Mithilfe des Modells kann man die Ursache der Selbstwertschwierigkeiten differenzierter erkennen und die Methoden zur Behebung der Schwierigkeiten individuell und punktgenau zusammenstellen. Hierzu bekommen Sie einen Handwerkskoffer mit auf die einzelnen Aspekte des Selbstwertes zugeschnittenen Methoden. Dies sind z.B. systemklärende Methoden, selbstwirksamkeitssteigernde Gesprächsführungsführungs-techniken, Impacttechniken, Metaphern u. v. m. Alle vorgestellten Techniken ermöglichen, den Klienten über die kognitive Ebene hinaus zu erreichen.

Planung und Moderation:Nadine Vietmeier; Helen Hübner
Datum:Donnerstag, 16.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und belasten oftmals die gesamte Familie. Aktuelle Studien zeigen eine hohe Wirksamkeit elternbasierter Behandlungsansätze bei Angststörungen von Kindern und Jugendlichen. Wir beleuchten die neuen familiendiagnostischen Verfahren und praktischen Interventionen aus Sicht von Forschung und Praxis. Der Workshop soll den Teilnehmenden ermöglichen, behandlungsrelevante Potentiale neben der Einzelpsychotherapie aufzudecken und zu nutzen. Die Teilnehmenden reflektieren ihre eigene therapeutische Haltung im Umgang mit ängstlichen Kindern und erwerben Kompetenzen, Eltern entwicklungsförderlich einzubeziehen und zu unterstützen.   


Planung und Moderation:Timo Slotta; Christina Schütteler
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:14:00-16:00 Uhr

Diversität ist allgegenwärtig: in Alltag und Therapie begegnen sich Menschen verschiedener Hautfarben, Sprachen, ethnischer Hintergründe, Religionen, sexueller Orientierung, Gender, Geschlecht, sozioökonomischer Hintergründe, Körpergewicht und mit oder ohne Behinderung. Strukturelle Diskriminierung außer- und innerhalb von Therapie kann die Vulnerabilität für psychische Störungen erhöhen. Diskriminierungserfahrungen müssen daher als Realität erfasst und bearbeitet werden. Dieser Workshop gibt einen Überblick über Diversitätsdimensionen und Diskriminierungsformen, regt zu Selbstreflexion und Einnahme einer privilegienkritischen Haltung an und gibt handlungsnahe Hinweise für die Praxis.

Planung und Moderation:Luise Reddemann
Datum:Samstag, 18.03.2023
Uhrzeit:10:30-12:30 Uhr

Traumatisierende Erfahrungen gehören nicht zuletzt zu den existentiellen Themen, da wir uns in der Regel an Leib und Leben bedroht fühlen. Daher sollte jede Begleitung von traumatisierten Menschen sich auf die Bedürfnisse im Umgang  des jeweiligen Individuums mit diesen Themen einstellen. Was bedeutet, dass ein manualisiertes Vorgehen meist nicht in Betracht kommt. Es geht um die schon von  Yalom benannten Themen: unserer Sterblichkeit, Freiheit, Einsamkeit sowie Sinn. Ich möchte diese Vier ergänzen mit dem Thema Verbundenheit. Alle  diese Themen können von traumatisierten Menschen sowohl als bedrohlich wie auch befreiend erlebt werden. Im Seminar soll es um einige Möglichkeiten gehen, wie diese Themen von therapeutischer Seite angesprochen werden können und wie wir Patient*innen beistehen können, dass sie sich diesen Themen annähern.

Literaturverweis ggfs.: Reddemann, L.( 2o21) „Die Welt als unsicherer Ort. “